Zu viel und zu schlecht produzierte Kleidung, selten getragen, schon entsorgt: Kaum ein Wirtschaftssektor stand in den letzten Jahren so am Pranger, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit ging, wie die Textilindustrie. Inzwischen ist sie dabei, einen grundlegenden Wandel zu vollziehen: u berspitzt formuliert von der linearen Wegwerfwirtschaft zur Circular Economy. Cradle to Cradle (von der Wiege bis zur Wiege) heißt der wohl konsequenteste Ansatz, dem zunehmend mehr Unternehmen folgen.
„Im Branchenvergleich ist Cradle to Cradle im Mode- und Textilbusiness bereits fortgeschritten“, bestätigt Nora Sophie Griefahn, geschäftsfu hrende Vorständin des Vereins Cradle to Cradle NGO, der sich der Weiterbildung und Vernetzung der Akteure widmet. Zugleich verweist sie darauf, wieviel Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit die Textilbranche hat, die als weltweit zweitgrößter Verschmutzer gilt: „Sie sorgt durch Überproduktion fu r Mu llberge, verschwendet Ressourcen und verursacht durch den hohen Energieverbrauch sowie die Nutzung schädlicher Chemikalien Umwelt und Gesundheitsschäden.“ Nachhaltig orientierte VerbraucherInnen leiten daraus eine Haltung ab, die lautet: Den Konsum einschränken! Eine angesichts des Ausmaßes auf jeden Fall richtige, aber doch auch recht freudlose Schlussfolgerung. Und eine, die der Wirtschaft Sorge bereitet.
Der Kirschbaum als Vorbild
Der deutsche Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart und der US-amerikanische Architekt William McDonough setzen dem eine an der Natur orientierte Vision entgegen: von Überfluss ohne schlechtes Gewissen und fatale öko-soziale Folgen. Oder anders ausgedru ckt: von Wachstum im Rahmen der planetaren Grenzen. Sie fu hren das Vorbild des Kirschbaums an. Obwohl dessen Blu ten und Fru chte so prachtvoll und zahlreich sind, belasten sie die Umwelt nicht: „Sobald sie zu Boden fallen, verrotten ihre Materialien und zerfallen in Nährstoffe, die Mikroorganismen, Insekten, Pflanzen, Säugetiere und Boden zum Leben brauchen.“