Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat sich in seinem fast 75-jährigen Bestehen als solide Basis für Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft erwiesen. Dennoch: Die Zeiten haben sich geändert und es gibt Entwicklungen, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Jahr 1949 nicht ahnen konnten. Der Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer erläutert im Interview, warum unser Grundgesetz einer Anpassung an veränderte politische Bedingungen bedarf.
raum&zeit: Was hat Sie dazu veranlasst, Vorschläge für Modernisierungen in unserem Grundgesetz auszuarbeiten?
Carlos A. Gebauer: Als das Buch 2021 fertiggestellt wurde, hatte ich den Eindruck, dass sich die Verfassungskrise in Deutschland, die mit der Ausrufung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite im März 2020 entstanden war, immer weiter intensivierte. Mit dem Eintritt der Corona-Krise ist das deutsche Verfassungsrecht in eine schwierige Neigungslage gekommen, weil wir an Stelle der üblichen Grundrechtsdogmatik plötzlich in einen Notfallmodus übergegangen sind. Und dieser Notfallmodus hat es für mich plausibel gemacht, jetzt noch intensiver die Frage zu stellen: Wie muss man damit umgehen, wenn eine Gefahr von außen zu drohen scheint? Dass dennoch die allgemeinen Menschenrechte, so wie sie im Grundgesetz niedergeschrieben sind, weiterhin gelten?