Gründer und CEO Pawel Durow verhaftet

Zensurfreier Messenger Telegram in Gefahr

Der weltweite Informationskrieg erlebte am Samstagabend, 24. August 2024, einen neuen vorläufigen Höhepunkt: Pawel Durow (39), der russische Gründer und CEO des weltweit genutzten Messaging-Dienstes Telegram, wurde gegen 20 Uhr auf der Startbahn des Flughafens Le Bourget in Paris von Gendarmen der GTA (Air Transport Gendarmerie) verhaftet, nachdem sein Privatflugzeug aus Aserbaidschan kommend gelandet war.

Beobachter vermuten, dass der Grund für die Festnahme Durows die Weigerung Telegrams war, Inhalte zu zensieren. Die französische Justiz ist der Ansicht, dass Telegram aufgrund der mangelnden Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden und der von Telegram angebotenen Tools (u. a. die Kryptowährung TON) in Drogenhandel, Verbrechen gegen Kinder und Betrug verwickelt sei. Dafür drohen Durow in der Fünften Republik nun bis zu 20 Jahre Gefängnis.

Obwohl Durow auch aus seinem Heimatland Russland geflohen war, da er sich geweigert hatte, mit dem Geheimdienst zu kooperieren, unternahm die russische Botschaft in Paris sofort Schritte, um die Situation um Durow zu klären, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS am Sonntag. Es habe aber keinen Appell von Durow gegeben, man sei proaktiv tätig geworden. „Was an Durows Fall auffällt, ist die schiere Absurdität der gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Durow wird vorgeworfen, sich geweigert zu haben, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, und sich damit an den Verbrechen der Telegram-Nutzer mitschuldig gemacht zu haben, indem er ihnen half, ihre Identität vor den Behörden zu verbergen. Dafür drohen ihm in der Fünften Republik bis zu 20 Jahre Gefängnis“ kommentierte der russische Jurist Ilja Remeslo.

Nemeslo weist allerdings darauf hin, dass Durow nach französischem Recht bewusst an den Straftaten hätte beteiligt gewesen sein müssen, was natürlich ein absurder Vorwurf sei. Die Unterlassung der Moderation von Inhalten und sogar die bewusste Unterlassung der Zusammenarbeit mit den Behörden stellen laut Remeslo einen eigenen Straftatbestand dar, der in anderen Gerichtsverfahren geahndet werden kann. Und wenn den französischen Behörden Telegram so missfällt, könnten sie es einfach sperren und sogar Sanktionen verhängen.

Gerätselt wird auch, warum Durow überhaupt nach Paris flog, da er wusste, dass gegen Telegram in Frankreich ermittelt wurde. Wurde er mit einem falschen Versprechen angelockt? Ging dem Flugzeug der Treibstoff aus (was allerdings auch sehr seltsam wäre)? Die Tatsache, dass Durow in seinem Privatflugzeug von Baku nach Paris flog, obwohl er wusste, dass die Franzosen seit langem einen Haftbefehl gegen ihn hatten, ist eines der ungeklärten Rätsel dieser Geschichte.

Die Leiterin der Safe Internet League, Ekaterina Mizulina, vermutet, dass das US-Außenministerium der Drahtzieher der Verhaftung sei. Die Verhaftung in Frankreich sei eine Fortsetzung der US-Sanktionspolitik. Generell würden die Amerikaner „hinter der Situation“ stecken. Sie wies darauf hin, dass in den USA und der EU die Gesetzgebung in Bezug auf soziale Netzwerke „brutal“ sei.

Der ehemalige US Agent und Cyber Security Experte Mike Benz vermutet, es sei nicht beabsichtigt, Telegram zu schließen, da der Messenger auch für den US-Geheimdienst von hohem Wert sei, etwa um Unruhen in unliebsamen Ländern wie Weißrussland zu schüren. Vielmehr ging es nur um die volle Kontrolle des bislang zensurresistenten Messengers.

Der bekannte US-Journalist Tucker Carlson kommentierte: „Es war nicht Putin, der ihn verhaftet hat, weil er der Öffentlichkeit das Recht auf freie Meinungsäußerung zugestanden hat. Es war ein westliches Land – ein Verbündeter der Biden-Administration und ein aktives Mitglied der NATO – das ihn hinter Gitter gebracht hat.

Der Fall Durow ist bislang weltweit der einzige Fall einer strafrechtlichen Verfolgung des Gründers eines sozialen Netzwerks solchen Maßstabs, dessen Reichweite fast eine Milliarde Nutzer pro Monat umfasst. (DS)

Bildnachweis Einstiegsbild: © Arthur Shevtsov/AdobeStock