raum&zeit: Wie stellen sich Anthroposophen den Prozess des Sterbens vor?
Thomas Mayer: Wir Menschen bestehen nicht nur aus dem physischen Leib, sondern wir sind ein komplexes Hüllenwesen mit vielen übersinnlichen Leibern: Es gibt einen geistigen Teil des physischen Leibes, den Ätherleib, die Seelenglieder und die geistigen Leiber, die das eigentliche höhere Ich ausmachen. Das kann man alles sehr differenziert ansehen. Man kann auch beobachten, was mit diesen vielen Hüllen im Laufe des nachtodlichen Lebens geschieht.
Wichtig ist mir dabei: Es handelt sich hier nicht um ein Glaubenssystem, sondern ume stellen sich nüchterne Beobachtungen. Anthroposophie ist eine Wissenschaft der geistigen Welten. Ich selbst nehme seit etwa dreißig Jahren Verstorbene wahr und habe somit einen eigenen Erfahrungsschatz. Die differenzierten Schilderungen von Rudolf Steiner über das nachtodliche Leben halfen mir sehr, meine Erlebnisse zu verstehen.
Sterben bedeutet zunächst, dass der Mensch seinen materiellen Körper endgültig verlässt und damit keine Sinneseindrücke mehr hat. Jede Nacht verlassen wir unseren Körper, aber eben nur zeitweise und beim Aufwachen ziehen wir wieder in diesen ein. Im Idealfall geschieht dann nach dem Tod folgendes: Der Ätherleib, der alle Erinnerungen trägt, wird immer lichter und größer. Dadurch werden die Erlebnisse des vergangenen Lebens sichtbar, der Tote erlebt sein Lebenspanorama und sieht sein ganzes Leben in einer Gleichzeitigkeit. Dann wird er von der geistigen Welt empfangen, durch andere Verstorbene, die ihm vorangegangen sind, durch das Licht und Wärme seines Engels und des Christus als Weltensonne. Nun beginnt die Lebensverarbeitung, das Kamaloka. Dabei werden unerlöste Schatten und Gefühle angesehen und verdaut. Hier erlebt der Tote ebenfalls, was seine Taten bei anderen Menschen bewirkt haben. Diese Erfahrung ist der Quell einer tiefen und echten Moralität und arbeitet zukünftiges Karma aus. Wenn der Tote so von sich selber frei wird, löst er sich immer mehr von der letzten Inkarnation und es beginnt sein Leben im Devachan, in der geistigen Welt inmitten der höheren Götter. Er wird zu einem lichten Sternenmenschen.
Das ist der normale Verlauf. Es gibt aber unzählige Hindernisse und Sackgassen, an denen sehr viele Tote hängen bleiben und deshalb kein normales nachtodliches Leben haben. (Mehr dazu: www.geistheilung.org/totenhilfe)
r&z: Wie steht die Anthroposophie zum Thema Organspenden?
T. M.: Für die Anthroposophie allgemein kann ich natürlich nicht sprechen, das ist ja kein Glaubenssystem, sondern eine Wissenschaft, die als solche immer beweglich sein muss.
Ich meine, dass Organspenden etwas sehr Lichtes und Christliches sein können im Sinne des Bibelwortes: “Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.” Es gibt aber auch viele dunkle Seiten und Probleme, die in der vom Materialismus geprägten Diskussion übersehen werden. Ich will einige aufzählen.
Ein Organ hat ebenso alle übersinnlichen Wesensglieder und ist mit dem ganzen Menschen verbunden. Mit einem transplantierten Organ geht auch ein Stück des anderen Menschen in den Empfänger über. Es gibt Berichte, dass sich nach einer Herztransplantation das Empfinden und auch das Verhalten des Empfängers deutlich verändert hat. Ein Stück des Seelenleibes des Spenders vermischt sich mit dem Empfänger. Es entsteht eine sehr intime Beziehung zwischen beiden. Zu dieser sollten beide Seiten bewusst ja sagen, damit es keine unglückliche “Zwangsverheiratung” wird.
Es ist möglich, dass sich dadurch altes Karma zwischen den beiden auflöst, es können aber auch ungute neue karmische Verwicklungen entstehen.
Für den toten Organspender kann es ein Hindernis im nachtodlichen Leben darstellen, wenn ein Teil seiner Seele und Leiber in einem anderen inkarnierten Menschen weiterlebt. Diese Teile sind dann erdgebunden, während sich der Tote eigentlich von der Erde lösen wollte. Da er diese Teile nicht mitnehmen kann, kann dies ein Loch sein und zu einem Verlustgefühl führen.
Das Herausschneiden des Organs ist für dieses ein schmerzhaftes Trauma. Das ist unabhängig davon, ob die Seele das bewusst erlebt. Es ist bekannt, dass nach einer Operation viele Verspannungen und körperliche Traumata in Muskeln und Gewebe sitzen können. Was passiert mit dem Schock des Organs bei einer Transplantation?
Jedes Organ hat ein leitendes Organ-Elementarwesen. Dieses begleitet uns über die Inkarnationen hinweg. Das Organwesen des Spenders muss sich in das Körperwesen-Gefüge des Empfängers einfügen, gleichzeitig gibt es zusätzlich noch das jeweilige Organwesen des Empfängers, das durch einen Organtausch nicht weg ist. Wie läuft dieser Migrationsprozess?
Transplantationen sind ein Geschäft und es gibt einen dunklen, kriminellen Schwarzmarkt. Wenn Menschen zur Spende gezwungen werden, dann ist der Empfänger karmisch mit dem Leid und den Schmerzen des Spenders belastet.
Wenn gegen den Willen des Spenders Organe entnommen werden, dann ist das schwarze Magie und kann den Spender über Inkarnationen hinweg schaden. Es fehlen ihm dann Teile seiner selbst, die durch bewusste menschliche Gewalteinwirkung befestigt sind. Man kommt hier in den komplexen Bereich der karmischen Wirkungen von Folter.
Das Geschäft mit Transplantationen ist ein großes Problem. Dadurch kommen viele schlechte Intentionen hinein. Am besten wäre es in meinen Augen, wenn es gesetzlich verboten wird, Geld für Organe zu verlangen. Niemand sollte daran verdienen können, über den tatsächlichen Aufwand hinaus, den die Kliniken haben.
All diese Fragen sollte man bei der Organspende nicht ausklammern. Wenn es eine freie Entscheidung von innen und von Liebe getragen ist, zu spenden und zu empfangen, dann kann die Organtransplantation ein sehr heiliges Geschehen sein.
Deshalb bin ich gegen die Widerspruchslösung. Eine Organspende sollte immer eine freie Ich-Entscheidung sein, sonst ist die Gefahr sehr groß, auf dunkle Gleise zu kommen.
r&z: Ihre Empfehlung für unsere Leser?
T. M.: Ich empfehle keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen. Es muss wirklich stimmig sein. Wer sich weiter mit der spirituellen Dimension beschäftigen will, dem sei folgendes Buch empfohlen: Vom Wesen der Organe. Spirituelle Hintergründe der Organtransplantation. Flensburger Hefte Nr. 116, Flensburg 2012