Als vor einigen Jahren in freien Medien wie raum&zeit der Begriff „Deindustrialisierung“ erstmals auftauchte, war schnell von einer neuen „Verschwörungstheorie“ die Rede. Doch wie schon so oft hatten die Journalisten und Redakteure der Gegenöffentlichkeit den besseren Riecher. Denn wenn selbst Verbände wie der VDA (Verband der Automobilindustrie), die ansonsten stets im Sinne des politischen Zeitgeistes agieren, diesen Begriff im Mund führen, dann wissen wir, was die Stunde geschlagen hat: Es ist fünf nach zwölf!
Laut VDA- Chefin Hildegard Müller droht Deutschland eine Deindustrialisierung in großem Ausmaß. Besonders die Edelmarke Mercedes-Benz, die wie kaum eine zweite weltweit für deutsche Qualitätsprodukte stand, und Volkswagen, ein Inbegriff für zuverlässige und erschwingliche Autos made in Germany, erfahren gerade einen beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang.
Der Autobauer aus Stuttgart beklagte einen Rückgang von 54 Prozent seines Nettogewinns im dritten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, Volkswagen sogar um 64 Prozent. Dem verordneten Sparkurs der Wolfsburger fallen voraussichtlich mindestens drei Werke und bis zu 10.000 Arbeitsplätze zum Opfer – natürlich in Deutschland. Auch Audi, BMW und selbst der Sportwagenhersteller Porsche müssen Federn lassen und schneiden im internationalen Vergleich überwiegend schlechter ab, als die Konkurrenz, die vor allem aus Fernost kommt. Insgesamt sind 130.000 Jobs aus der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie in Gefahr.
Werkschließungen und Arbeitslosigkeit
Es ist nicht übertrieben, diese rasante Talfahrt einer einstigen deutschen Spitzenbranche als Menetekel zu bezeichnen. Manch einer mag meinen, es trifft doch nur ein paar Großkonzerne und ein paar Tausend Arbeitsplätze können doch von der sich entwickelnden (durch Subventionen!) Energiewende-Industrie ersetzt werden.
Doch unsere moderne Wirtschaft ist stark vernetzt, weshalb sich die Folgen des Niedergangs eines Riesen wie VW wie eine Kettenreaktion dramatisch auf ganze Regionen, in denen die mittelständische Zulieferindustrie angesiedelt ist, erstrecken werden. „Wenn Werke infrage stehen, ist das ganze System in den betroffenen Regionen gefährdet,“ so die VDA-Präsidentin. Werksschließungen werden die Arbeitslosigkeit im Bundesland nach oben treiben und damit die Kaufkraft in der Region enorm schwächen.
Das heißt, die Steuereinnahmen der Kommunen werden schrumpfen, was deren ohnehin brenzlige finanzielle Lage weiter verschärft. Eine wirtschaftliche Abwärtsspirale ist in Gang gesetzt: Noch weniger Geld für Schulen, Schwimmbäder, Theater, Jugendzentren, Straßen, Brücken, Nahverkehr, Stadtreinhaltung und so weiter werden zu Szenarien führen, die man bisher nur aus Drittweltländern kannte. Die einstige blühende Vorzeigevolkswirtschaft aus Deutschland rumpelt dem Siechtum entgegen, während der technische Fortschritt vor allem in China, Südkorea oder Japan stattfindet.
Katastrophale Energiewende
Über die Ursachen dieser desaströsen Talfahrt muss man nicht lange rätseln. Es ist in erster Linie die katastrophale Energiewende hin zu „Erneuerbaren“, die hier wie ein Elefant im Porzellanladen zuschlägt. Deutschland hat sich damit nicht nur die höchsten Energiepreise weltweit eingehandelt, sondern verfügt über keine zuverlässige Energieversorgung mehr.
Neben dem unzuverlässigen Wackelstrom durch Erneuerbare heizt die Politik die Stromnachfrage durch Förderung von E-Autos und Wärmepumpen an, ohne dass der Ausbau einer adäquaten Netzinfrastruktur damit Schritt halten kann. Das läuft konsequent auf Stromrationierungen wie in einem technischen Entwicklungsland hinaus. „Wenn nachgewiesen ist, dass es diese Netzüberlastung geben könnte, dann gibt es ein Recht des Verteilnetzbetreibers zu dimmen“, sagte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, in einem Interview mit dem BR.
Und das sind natürlich nur die Anfänge. Wie lange wird es noch dauern, bis auch die Industrie nur mehr bei günstigen Windverhältnissen und Sonnenschein produzieren kann? Wer denkt hier nicht an unterentwickelte Länder in Afrika, von denen man solche Stromrationierungen kennt?
Weg vom Verbrenner, heißt die Parole, denn wir müssen ja das Klima retten. Dann fragt man sich allerdings, warum die um das Weltklima besorgten Politiker auch die letzten drei deutschen Kernkraftwerke abschalten ließen, obwohl Kernenergie den kleinsten CO2-Fußabdruck hat. Man kann seine Gründe gegen Kernenergie haben, aber gleichzeitig auch fossile Energieträger abzulehnen, ist schlicht irrational. Das ist in einer Industriegesellschaft nicht praktikabel.
Verbrenner-Aus
Ab 2035 sollen in der EU keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Die deutsche Autoindustrie hat aber nicht etwa gegen diese verordnete Förderung der E-Mobilität angesteuert – im Gegenteil. Obwohl E-Autos vom Markt nur schwach nachgefragt werden (und auch diese schwache Nachfrage beruht hauptsächlich auf Subventionen), haben sich die Konzernbosse dem Zeitgeist unterworfen und ihren Unternehmen die Entwicklung von E-Mobilität aufgezwungen.
Und selbst jetzt, wo klar wird, wohin die Reise geht, halten sie an dieser Fehlallokation fest: Laut Hildegard Müller plant die deutsche Autoindustrie allein in den nächsten vier Jahren Investitionen in Höhe von 280 Milliarden Euro für Forschung, Entwicklung und neue Antriebstechnologien im Bereich der E-Mobilität, außerdem 130 Milliarden Euro für den Umbau von Werken. Es wird also weiter am Markt vorbei produziert.
Man möchte sagen, dass die deutsche Automobilhersteller sich selbst noch tiefer in die Krise reitet. Aber das ist ein falsches Bild. Wobei: Vom Reiten wie im vorletzten Jahrhundert zu Reisezwecken sind wir soweit auch nicht mehr entfernt.