Künstliche Düfte – Auslöser von Symptomen?

Es ist in aller Munde: „Du bist, was Du isst!“  Jeder weiß, dass Spritzmittel und chemische Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln gesundheitsschädlich sind. Dass jedoch unsichtbare Chemikalien aus Kosmetik- und Reinigungsprodukten ebenfalls über den Mund in Lunge, Blut und damit den gesamten Körper gelangen, weiß bislang kaum jemand.

Von Daniela Arbter-Öttl, Mammendorf

Synthetische Duftstoffe sind flüchtig und kommen über die Luft in die Lunge und auch in den Mund. Sie gelangen auf die Mundschleimhaut, sie werden eingeatmet und gehen über die Luftröhre in die Lunge und ins Blut. So verteilen sie sich auf alle Organe: die Leber, die Nieren oder die Gelenke. Auch bei Föten kommen sie an. Ein Großteil der Chemikalien findet schnell den Weg ins Gehirn, und zwar über die Nase, und ein beträchtlicher Teil der Moleküle landet sofort in den Augen.

Für den Körper sind diese Stoffe befremdlich. Wie soll er sie verstoffwechseln? Der eine schafft es besser, der andere weniger. Wer langsamer entgiftet, hat schlechtere Karten: Bei ihm reichern sich bedenkliche Chemikalien mehr an. Dass eine solche Anreicherung in der Folge zu Schäden führen kann, ist nicht verwunderlich.

Geruchsbelästigung: Duftschwaden in der U-Bahn

Gut riechende Produkte enthalten oft ein Sammelsurium an hunderten sehr kritischen Chemikalien. Diese Düfte haben dann auch weitreichende Folgen. Manchmal ist der Geruch von einem einzigen Menschen, der Parfüm, kräftiges Deo oder Rasierwasser aufgetragen hat oder dessen Kleidung frühlingshaft „frisch“ duftet, meterweit wahrzunehmen. Zunehmend auffällig ist, dass der künstliche Duft, der viele Menschen umgibt, intensiver geworden ist und sogar dann noch wahrnehmbar ist, wenn die duftende Person längst den Raum oder den U-Bahn-Wagon verlassen hat.  Nur Geruchsbelästigung? 

Daniela Arbter-Öttl: „Die Duft-Revolution. Unerklärliche Symptome – Künstlichen Duftstoffen auf der Spur“, Clair Verlag, 2024, 30,– €, ISBN 978-3982590288

Multiple Chemikaliensensitivität

Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) ist eine komplexe, kontrovers diskutierte Erkrankung, bei der Betroffene auf niedrige Konzentrationen von Chemikalien, die in alltäglichen Produkten wie Reinigungsmitteln, Parfums, Pestiziden und Baustoffen enthalten sind, mit vielfältigen Symptomen reagieren. Diese Symptome können von Kopfschmerzen und Atembeschwerden bis hin zu Hautausschlägen und Erschöpfung reichen. Die genaue Ursache von MCS ist noch nicht vollständig geklärt, und es gibt unterschiedliche Theorien darüber, ob es sich um eine physische oder psychische Reaktion handelt oder um eine Kombination aus beiden. Was jedoch feststeht, ist, dass MCS die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann, da sie oft gezwungen sind, ihren Lebensstil drastisch zu ändern, um chemischen Auslösern zu entgehen.

Sehen Sie dazu auch den Beitrag über Multiple Chemikaliensensitivität auf QS24 mit der Umweltmedizinerin Petra Wiechel.

Oder gleich hier:

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Schwindel, Kopfschmerz, Husten und Halsschmerzen

Besagte Person atmet 24 Stunden und sieben Tage die Woche poten-ziell toxische Chemikalien ein – und wundert sich vielleicht, warum es ihr dauernd schwindelig ist, der Kopf schmerzt oder woher nur dieser lästige Husten und diese ständigen Halsschmerzen kommen. Noch viel schwerer aber wiegt, dass nicht nur diese Person diese Chemieduftmoleküle einatmet, sondern auch all jene Menschen, die in die von ihr ausgehenden unsichtbaren Duftschwaden geraten.

Sie atmen diese passiv und unfreiwillig ein – wie Passivrauchen.
Duftchemikalien sind aber nicht nur in Parfüms. Sie sind in Seifen, Deodorants, Zahnpasta, Sonnencreme, Haarshampoo, Haarfärbemitteln, Haarspray, Bodylotions, Rasierwässern, Desinfektionsmitteln, Spülmitteln, Waschmitteln, Weichspülern, Reinigungsmitteln, Duftstäbchen, Duftkerzen, Lufterfrischern,  Toilettenpapier, Windeln, Slipeinlagen, Mülltüten, in Baumaterialien, der Kleidung, neuen Autos oder Spielsachen.

Es liegt was in der Luft

Deshalb sind Duftstoffe auch überall dort, wo Menschen sie nutzen – darauf vertrauend, dass die Inhaltsstoffe auf ihre gesundheitliche Verträglichkeit hin geprüft sein mögen. Parfümstoffe liegen in der Luft eines fast jeden Haushalts, jedes Büros, jeder Behörde, aller Schulen und Kindergärten, in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Zügen und in Geschäften, auf den Straßen und hin und wieder auch im Wald.
Duftstoffe haben zudem einen Dominoeffekt:

Sie gehen von einer Person auf die nächste über. Ebenso überträgt sich Duft von einem Gegenstand auf den anderen. Manche Duftstoffe bleiben an der Stelle, auf die sie auftreffen, haften – und verbreiten von dort ihre Moleküle weiter. Die Verbreitung kann ebenfalls über Berührung erfolgen – oder aber über die Luft.

„Je nachdem, wo auf der Welt ein Produkt verkauft wird, werden Sie in der Inhaltsstoffliste von Duftkerzen, Weichspülern, Raumdüften, Mülltüten oder Kosmetika nur die wenig aufschlussreiche Position ‚Fragrance‘ (USA) oder ‚Parfum‘ (EU) finden. Dahinter steckt keine einzelne Substanz, sondern eine dem Hersteller überlassene Mischung von Parfümchemikalien. Laut offizieller Liste der IFRA (International Fragrance Association) sind 4 000 Verbindungen mit dieser unscheinbaren Bezeichnung abgedeckt. Das Problem an diesen versteckten Ingredienzien: nur etwa 1 300 von ihnen sind für die Sicherheit am Menschen untersucht. 72 Prozent der parfümierten Produkte
enthalten endokrine Disruptoren – die unter dem Verdacht stehen, fertilitäts- oder entwicklungstoxisch zu sein und an der Genese von Krebs, Organschäden und Immunsuppression beteiligt zu sein.“ (Ärzteplattform „esanum“)

Eine Laborkraft riecht an einem Stäbchen

Dominoeffekt der Chemie

Ein Beispiel: Eine Mutter bringt ihr Kind in den Kindergarten, umarmt es zum Abschied. Die Mutter trägt Parfüm. Schon über die Luft, aber noch viel mehr bei der Umarmung gehen die Duftstoffe auf das Kind und seine Kleidung über. Das indirekt beduftete Kind atmet diese Stoffe ein, aber auch die anderen Kinder. Gesetzt den Fall, die Kleidung dieses Kindes ist zusätzlich mit duftendem Waschmittel oder Weichspüler gewaschen: Dann überträgt das Kind beim Spielen, beim Körperkontakt, eine ordentliche Portion Chemikalien auf Kleidung, Haare und Körper der anderen.

Was passiert nun aber, wenn eines der Kinder Reaktionen hat, weil es Duftstoffe nicht verträgt? Ihm geht es schlecht, und man weiß nicht, warum. Oder, wenn dessen Vater chemikaliensensitiv ist? Bei ihm könnte es zu Krankheitsschüben kommen. Denn die nun kontaminierte Kleidung seines Kindes kommt in seinen Haushalt, schlimmstenfalls wird sie sogar zusammen mit seiner Wäsche gewaschen. Der Vater atmet nun die Moleküle über lange Zeit ein und reagiert möglicherweise mit schweren Symptomen.

Multiple Chemikaliensensibilität (MCS):Sechs Prozent betroffen

Nicht nur für diesen Vater, für Hunderttausende können Duftstoffe zu einem Problem werden, wenn sie unter MCS (Multiple Chemikaliensensitivität) leiden: verengte Bronchien, Hustenanfälle und Atemnot, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufbeschwerden, starke Kopfschmerzen, eine Verkrampfung der Muskulatur, Stechen an verschiedensten Körperstellen, Schweißausbrüche und Konzentrationsprobleme. Viele Betroffene, die dauerhaft exponiert sind, werden oft bettlägerig mit Erschöpfung (Fatigue), Kraftlosigkeit und Muskelschwäche, Ganzkörperschmerzen, einem brennenden, kribbelnden Gefühl, Gehirnnebel (Brainfog), Ohrgeräuschen, Herz-Rhythmus-Störungen, Entzündungsreaktionen, Taubheitsgefühlen, Schlaflosigkeit und vielem mehr.

Viele MCS-Kranke können nicht unter Menschen arbeiten, weshalb sie oft mittellos sind. Manche Betroffene haben zu kaum mehr einer Person physischen Kontakt und leben abseits der Zivilisation, zum Beispiel in ihrem Auto.
Etwa sechs Prozent der Bevölkerung sind mittlerweile von MCS betroffen. Die Aussagekraft dieser Zahl ist vage, denn es werden keine Statistiken darüber geführt. Eher werden diese Menschen psychologisiert. MCS ist noch immer nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Obwohl die Anzahl der Erkrankten kontinuierlich steigt.

„Leider wird die Erkrankung Duftstoffunverträglichkeit immer noch bagatellisiert, obwohl immer mehr Menschen auf luftgetragene Duftstoffe mit gesundheitlichen Beschwerden reagieren. Genauere Erhebungen zur Zahl der duftstoffsensiblen Personen in Deutschland gibt es bis jetzt nicht. Hier besteht ein dringender Forschungsbedarf. Beim DAAB melden sich immer mehr Personen, die unter der Exposition gegenüber Duftstoffen leiden.“ (Deutscher Allergie- und Asthmabund, DAAB)

Wie giftig können Duftstoffe sein?

Für hunderte Duftstoffe dürfte es noch immer keine vollständige Bewertung hinsichtlich ihrer Toxizität geben, obwohl Parfümstoffe im Verdacht stehen, Allergien, Krebs und Erbgutschäden auszulösen sowie hormonell wirksam zu sein, sich im Körper anzureichern und vor allem auch die Umwelt zu schädigen. Es reicht zumeist, sie in Form einer Sammelbezeichnung wie „Duftstoffe“, „Parfum“ oder „Aroma“ auf dem Produkt zu benennen, weil das Geheimnis um die Duftstoffkomposition gewahrt werden darf.

Dies betrifft zum Beispiel die synthetisch erzeugten Moschus-Ersatzstoffe, die in Kosmetika und Waschmitteln enthalten sind. Das Umweltbundesamt: „Bestimmte Duftstoffe, besonders einige Moschusverbindungen, sind in der Umwelt nur schwer abbaubar; sie reichern sich mit der Zeit in Umwelt, Tier und Mensch an.“

Ausnahme sind 80 relevante allergieauslösende Duftstoffe, wie zum Beispiel Eichenmoosextrakt, Baummoosextrakt, Cinnamal, Citral, Isoeugenol, Farnesol, Benzyl Benzoate, Geraniol, Limonene und Linalool. Diese müssen, aber nur, sofern sie bestimmte Konzentrationen im Produkt überschreiten, einzeln auf dem Produkt deklariert werden.

Reiz „flüchtige Chemikalien“ in der Luft

Rechnet man in die Zahl der Betroffenen die Menschen mit ein, die nach Duftstoffexpositionen mit kurzzeitigen Beschwerden oder mit schweren Asthmaanfällen, Magen-Darm-Problemen, Tinnitus, Migräneanfällen, Augenentzündungen, Restless Legs, Ekzemen, Unruhe oder Angstattacken reagieren, dann läge sie gewiss noch höher. Viele, die unter chronischen Erkrankungen leiden, wissen gar nicht, dass die Ursache ihrer Symptome in dem Reiz „flüchtige Chemikalien in der Luft“ zu suchen ist. 

„Leider gibt es in Deutschland weder umfassende Studien zu Beschwerdebildern, die die luftgetragenen Duftstoffe hervorrufen können, noch gibt es gezielte Erhebungen zum Verlauf dieser Erkrankung und zum Ausmaß der Beschwerden. Und auch wissenschaftliche Studien, die sich mit dieser Erkrankung von medizinischer Seite her befassen, sind Mangelware.“

Menschen mit MCS jedoch können ihre Symptome eindeutig Duftstoffexpositionen zuordnen. Sie spüren genau, was für viele nicht nachvollziehbar, weil nicht greifbar, eben unsichtbar ist. Doch ein kritischer Blick auf die Inhaltsstoffe würde sich lohnen. Viele sind als allergieauslösend identifiziert, und manche gelten als potenziell erbgutverändernd, krebserregend oder den Hormonhaushalt beeinträchtigend. Oft versteckt sich ein ganzes Sammelsurium an Chemikalien unter Begriffen wie „Parfum“ oder „Duftstoffe“. Sie sind vielfach hinsichtlich ihrer Toxizität und ihrer Wirkung auf Mensch, Tier und Umwelt nicht geprüft.

Werbung suggeriert Frische und Wohlgefühl

Frische, Leichtigkeit und Wohlgefühl suggeriert die Werbung. Die Menschen glauben und lieben das. Ein regelrechter Hype, Parfüm zu verwenden, hat sich entwickelt – parallel zur Entwicklung von immer noch mehr Chemikalien, Tag für Tag.

Während wir von Umweltverschmutzung und Klimawandel sprechen, landen gleichzeitig Abermilliarden Liter durch Duftstoffkonsum verunreinigtes Wasser in unseren Seen, Flüssen und Meeren – laut manchen Sicherheitsdatenblättern sind einige Produkte „schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung“. Und: Kontinuierlich wird unsere wertvolle Atemluft mit giftigen Chemikalien von überflüssigen Parfums verschmutzt.

Quellen

DAAB: „Duftstoffe. 30 Antworten zur Raumbeduftung und Duftstoffunverträglichkeit“, Ratgeber, Seite 40 f., 45 f.

DAAB: „Duftstoffe als Kontaktallergene“, https://www.daab.de/haut/kontaktallergie/hauptausloeser/duftstoffe

esanum (Ärzteplattform): „Sind Duftstoffe der neue Passivrauch?“ https://www.esanum.de/blogs/atemwege-blog/feeds/today/posts/sind-duftstoffe-der-neue-passivrauch

Umweltbundesamt: „Duftstoffe“, https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/duftstoffe

Umweltbundesamt: „Duftstoffe: Wenn Angenehmes zur Last werden kann“, Hintergrundpapier, Seite 2 f., https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3550.pdf

Umweltbundesamt: „Duftstoffe – chemische Begleiter des Alltags“, Seite 7, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/160930_uba_rg_duftstoffe_barrierefrei.pdf

www.codecheck.de

Autorin

Daniela Arbter-Öttl

Daniela Arbter-Öttl ist von Duftstoffunverträglichkeit betroffen. Sobald Chemikalien von Duftstoffen in ihre Nase und ihren Atemkreislauf gelangen, reagiert sie mit starken, langanhaltenden Symptomen. Sie muss sich deshalb von Menschen und Räumen fernhalten. Heute lebt sie in einer parfümfreien Umgebung und gesund. Bis sie dem Hauptauslöser ihrer Symptome, den künstlichen Duftstoffen in der Luft, auf die Spur gekommen war, sind Jahre ins Land gegangen. Mit ihrem Buch „Die Duft-Revolution. Unerklärliche Symptome – Künstlichen Duftstoffen auf der Spur“ will sie Menschen darüber informieren, dass Symptome jeglicher Art durchaus mit dem Einfluss von Duftchemikalien zu tun haben können. Sie ermuntert zu einem parfümfreien Haushalt.