Dominoeffekt der Chemie
Ein Beispiel: Eine Mutter bringt ihr Kind in den Kindergarten, umarmt es zum Abschied. Die Mutter trägt Parfüm. Schon über die Luft, aber noch viel mehr bei der Umarmung gehen die Duftstoffe auf das Kind und seine Kleidung über. Das indirekt beduftete Kind atmet diese Stoffe ein, aber auch die anderen Kinder. Gesetzt den Fall, die Kleidung dieses Kindes ist zusätzlich mit duftendem Waschmittel oder Weichspüler gewaschen: Dann überträgt das Kind beim Spielen, beim Körperkontakt, eine ordentliche Portion Chemikalien auf Kleidung, Haare und Körper der anderen.
Was passiert nun aber, wenn eines der Kinder Reaktionen hat, weil es Duftstoffe nicht verträgt? Ihm geht es schlecht, und man weiß nicht, warum. Oder, wenn dessen Vater chemikaliensensitiv ist? Bei ihm könnte es zu Krankheitsschüben kommen. Denn die nun kontaminierte Kleidung seines Kindes kommt in seinen Haushalt, schlimmstenfalls wird sie sogar zusammen mit seiner Wäsche gewaschen. Der Vater atmet nun die Moleküle über lange Zeit ein und reagiert möglicherweise mit schweren Symptomen.
Multiple Chemikaliensensibilität (MCS):Sechs Prozent betroffen
Nicht nur für diesen Vater, für Hunderttausende können Duftstoffe zu einem Problem werden, wenn sie unter MCS (Multiple Chemikaliensensitivität) leiden: verengte Bronchien, Hustenanfälle und Atemnot, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufbeschwerden, starke Kopfschmerzen, eine Verkrampfung der Muskulatur, Stechen an verschiedensten Körperstellen, Schweißausbrüche und Konzentrationsprobleme. Viele Betroffene, die dauerhaft exponiert sind, werden oft bettlägerig mit Erschöpfung (Fatigue), Kraftlosigkeit und Muskelschwäche, Ganzkörperschmerzen, einem brennenden, kribbelnden Gefühl, Gehirnnebel (Brainfog), Ohrgeräuschen, Herz-Rhythmus-Störungen, Entzündungsreaktionen, Taubheitsgefühlen, Schlaflosigkeit und vielem mehr.
Viele MCS-Kranke können nicht unter Menschen arbeiten, weshalb sie oft mittellos sind. Manche Betroffene haben zu kaum mehr einer Person physischen Kontakt und leben abseits der Zivilisation, zum Beispiel in ihrem Auto.
Etwa sechs Prozent der Bevölkerung sind mittlerweile von MCS betroffen. Die Aussagekraft dieser Zahl ist vage, denn es werden keine Statistiken darüber geführt. Eher werden diese Menschen psychologisiert. MCS ist noch immer nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Obwohl die Anzahl der Erkrankten kontinuierlich steigt.
„Leider wird die Erkrankung Duftstoffunverträglichkeit immer noch bagatellisiert, obwohl immer mehr Menschen auf luftgetragene Duftstoffe mit gesundheitlichen Beschwerden reagieren. Genauere Erhebungen zur Zahl der duftstoffsensiblen Personen in Deutschland gibt es bis jetzt nicht. Hier besteht ein dringender Forschungsbedarf. Beim DAAB melden sich immer mehr Personen, die unter der Exposition gegenüber Duftstoffen leiden.“ (Deutscher Allergie- und Asthmabund, DAAB)