D. S.: Entdeckt beziehungsweise entwickelt wurden die kymatischen Organe von dem Künstler und Musikwissenschaftler Atmani. Wissen Sie, wie er dazu kam?
H. H.: Atmani war lange Zeit in Russland am Tschaikowsky Konservatorium und hat da Kompositionsstudien betrieben. Er hat zudem viele Jahre lang die Kymatik erforscht. Dadurch, dass er als Künstler durch die Musik natürlich auch immer wieder mit Lautsprechern und Kopfhörern konfrontiert worden ist und diese stets als problematisch empfunden hat, stellte sich ihm irgendwann die Frage: Was könnte man ändern? Das hat wohl seine Kreativität, seinen Erfindergeist angeregt. So wie ich das verstehe, ist es keine Sache in kurzer Zeit gewesen, sondern über eine sehr lange Periode, bis er dann die entscheidenden Prinzipien gefunden hat und die technische Möglichkeit, den Klangsog mit einzubinden. Zunächst übrigens mit Lautsprechern. Ich glaube, er hätte selber gar nicht so den Weg beschritten, einen Kopfhörer zu modifizieren. Da ist er tatsächlich angesprochen worden von Fachleuten, nachdem die Lautsprecher-Systeme entwickelt waren in den wesentlichen Schritten. Dann hat er gesagt: „Gut, jetzt schaue ich mir die Kopfhörer auch noch an.“
D. S.: Sie bieten ja auch den Service an, bestimmte Kopfhö-
rermodelle wie eben den Meze Classics 99 mit Kymatik nachzurüsten.
H. H.: Es gibt mittlerweile etwa ein halbes Dutzend Kopfhörer-Modelle, die nachgerüstet werden können. Weitere sollen folgen. Das ist ein sogenannter Custom made Service, den wir damit anbieten. Er wurde durch ein neues Fertigungsverfahren möglich, das einen kostengünstigen Einstieg in das Lautsänger-Erleben eröffnet. Wenn man das audiophile Maximum möchte, ist es aber nötig, das in vollständiger Handarbeit zu machen.
Kymatische Forschung
D. S.: Wie ist der Stand der Wissenschaft heute zur Kymatik? Gibt es überhaupt akademische Forschung dazu?
H. H.: Er werden jedes Jahr zehn bis 15 wissenschaftliche Untersuchungen zu den chladnischen Klangfiguren veröffentlicht. Die Forschungen dazu sind noch nicht an einem Ende angekommen. Selbst der allererste Versuch der chladnischen Klangfiguren von vor ungefähr 200 Jahren ist noch nicht abschließend erforscht. Michael Faraday, der ein ausgezeichneter Beobachter war, hat mit sehr feinem Pulver chladnische Versuche durchgeführt und festgestellt, dass es gar nicht so wesentlich die Metallplatte ist, sondern vor allem die Luft, welche die Figuren formt.
D. S.: Es soll aber auch im Vakuum funktionieren.
H. H.: Genau, diese Versuche wurden auch schon im Vakuum gemacht. Auch wenn die Luftsphäre fehlt, tritt dieser Entstehungsimpuls auf, die Formen bilden sich allerdings schwächer aus. Man darf aber nicht bei den hübschen Bildern stehenbleiben. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine einseitige Prägung ergeben, sodass man denkt, es handele sich einfach nur um statische ästhetische Bilder. Tatsächlich handelt sich um ein fortlaufendes Geschehen wie bei einem Organismus. Wenn man selber mal eine Platte mit einem Bogen anstreicht und genau hinsieht, wird man feststellen, dass die Figur in Bewegung bleibt, solange man weiter streicht. Streicht man ein bis zwei Minuten, richtet sich die Aufmerksamkeit plötzlich nicht mehr auf die Figur, sondern die Sinne öffnen sich für den Prozess: Die Figur fließt und verändert sich fortlaufend. Und da sind wir in diesem Prozessualen, was ja den Lautsänger auszeichnet. Denn der Klangsog ist ebenfalls kein statischer Moment, der plötzlich und unveränderlich da ist, sondern es handelt sich um ein prozessuales, ja lebendiges Geschehen.