Welten im Zusammenstoß
In dieses idyllische, von langsamer, friedvoller Gleichförmigkeit geprägte Bild platzte dann Immanuel Velikovsky 1950 mit seinem Hauptwerk „Welten im Zusammenstoss“ und seinem Folgewerk „Erde in Aufruhr“ , in denen er an all die vergessenen Ungereimtheiten erinnerte und weitere aktuelle anführte. Er zitierte die Beob-
achtungen der großen Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, die ja – als Beobachtungen – wegen einer neuen Theorie nicht falsch geworden, sondern nur beiseite geschoben und in Vergessenheit geraten waren. Vor allem aber – und das war revolutionär – führte er Augenzeugenberichte an. Er hatte die Prämisse angenommen, dass unsere Vorfahren – egal aus welcher Epoche – sich vielleicht ungewohnt ausdrückten und sich eines für uns merkwürdigen Vokabulars bedienten, dass sie aber mit Sicherheit keine schlechteren Beobachter waren als wir heute und schon gar keine primitiven Volltrottel, deren Bildsprache nur von unseren heutigen psychologisch ausgebildeten Exegeten gedeutet werden kann. Mit anderen Worten: Er nahm alte Überlieferungen, mythologische Schilderungen, Bilder, Felszeichnungen et cetera wort-wörtlich. Auf diese Weise fand er weltweit in jeder Kultur, bei jedem Volk, auf jedem Erdteil Augenzeugenberichte von den unvorstellbarsten, schrecklichsten Vorkommnissen in der Natur, die zwar unbeholfen formuliert waren, aber mit unserem heutigen Vokabular und unseren heutigen naturwissenschaftlichen Kenntnissen ein stimmiges Bild ergeben: Es gab auf der Erde – im Beisein unserer Vorfahren – eine Reihe von weltumspannenden und weltverändernden Katastrophen.
Der Katastrophismus war wieder da.
Natürlich konnte und wollte das Wissenschafts-Establishment von Velikovskys Theorie nichts wissen. Sie bekämpften ihn sogar erbittert bis hin zu Boykott-Drohungen gegen den Verlag, obwohl Velikovsky „Erde in Aufruhr“ ausdrücklich nur mit Zitaten von naturwissenschaftlichen Fakten, ohne jedwede Überlieferungen herausgebracht hatte.
In den 1980er Jahren konnte sich dann allerdings auch die Mainstream-Wissenschaft nicht mehr dem Katastrophismus verschließen. Denn da veröffentlichten der Nobelpreisträger Luis Alvarez (1911–1988) und sein Sohn Walter (geb. 1940) ihre Theorie eines gigantischen Asteroiden-Impakts, der für das Verschwinden der Dinosaurier verantwortlich gewesen sein soll und überall auf der Erde eine nachweisbare Schicht mit hohem Iridium-Gehalt abgelagert hat. Beim Datieren dieser Schicht begingen die Wissenschaftler allerdings einen unverzeihlichen und fatalen Fehler: Sie benutzten Daten, die aus der Aktualismus-Theorie stammten, die jedoch durch diesen Fund gerade als falsch entlarvt worden war. Wenn eine so gewaltige Katastrophe wie ein Asteroiden-Impakt stattgefunden hat, durch den meterdicke Gesteinsschichten in wenigen Minuten oder Stunden erzeugt worden sind, dann konnte man für die Datierung der gefundenen Schicht nicht mehr die Altersangaben verwenden, die Lyell sich ausgedacht hatte, um die Schichten als Resultat minimaler jährlicher Ablagerungen erklären zu können.
Auch die anderen Datierungsmethoden, mit denen unter anderem der Alvarez-Impakt auf 65 Millionen Jahre datiert wird, beruhen darauf, dass gewisse chemische Elemente in der Atmosphäre in einem bekannten festen Isotopenverhältnis vorkommen. Wenn nun solche Elemente in einer Gesteinsprobe eingeschlossen sind und eines der Isotope radioaktiv ist und zerfällt, dann kann man anhand der Menge der Zerfallsprodukte zurückrechnen, wie lange der Zerfall schon vonstatten gegangen sein muss, wie alt also die Gesteinsprobe ist. Von einem festen Isotopenverhältnis in der Erdatmosphäre auszugehen, das vor Jahrmillionen genauso war wie heute, funktioniert aber nur, wenn die Aktualismus-Theorie stimmt. Ein Impakt-Ereignis vernichtet diese Theorie „auf einen Schlag“, und damit sind diese Datierungsmethoden ihrer Grundlage beraubt.
Denkfehler
Wir sehen, wie sehr sich selbst „große Wissenschaftler“ in falschem Denken verlieren können. Und diese „Wissenschaftler“ erdreisten sich dann auch noch, denjenigen als „Pseudowissenschaftler“ oder gar „Scharlatan“ zu diskreditieren, der sie an ihre Denkfehler erinnert.
So haben wir also heute als Lehrmeinung eine unheilvolle Mischung aus Aktualismus mit einigen Mega-Katastrophen, die allerdings – bequemerweise – vor unzähligen Millionen von Jahren stattgefunden haben, sodass man meint, trotzdem Methoden und Daten des Aktualismus verwenden zu können.
Dabei lassen sich beispielsweise auch die Eiszeiten nur durch globale Katastrophen erklären. Denn der wesentliche Punkt ist hier nicht die Frage der Abkühlung der Erde, sondern wie in kurzer Zeit solche gigantischen Wassermassen verdampfen, in den nördlichen Breiten als Niederschlag fallen und sich dann sofort und permanent in Eis verwandeln konnten. Immerhin geht man von bis zu drei Kilometer dicken Eisschilden aus. Darin war so viel Wasser gebunden, dass der Meeresspiegel über 100 Meter abgesunken war. Um diese Wassermenge zu verdampfen und in höhere Breiten zu transportieren, war eine gewaltige Wärme notwendig, die sich dann schlagartig in eisige Kälte verwandeln musste. Sonst wäre das Wasser einfach in den Ozean zurückgeflossen.
Somit ist klar, dass die Eiszeit-Theorie keine Rettung des Aktualismus ist, sondern sogar im Widerspruch dazu steht.
Zeitliche Abschätzung
Um nun wenigstens eine grobe zeitliche Abschätzung von der Entstehung der gegenwärtigen geologischen Strukturen zu erhalten, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: So kann man z. B. bei abflusslosen Seen (Totes Meer, einige Restseen von Gletscherrandseen in Oregon, Nevada, Kalifornien) den Gehalt an bestimmten Mineralen mit den Mengen vergleichen, die die Zuflüsse jährlich mit sich bringen; oder bei Flüssen, die viele Sedimente mit sich führen (Mississippi, Bärenfluss, Po), die jährliche Ablagerungsrate im Flussdelta mit der Größe des Deltas vergleichen; oder bei Wasserfällen (Niagara-Fälle) die Strecke, die der Fall sich jährlich durch Erosion weiter nach hinten verschiebt, mit der Gesamtlänge vergleichen, die der Wasserfall bereits ausgefräst hat.
Tut man dies in den hier genannten Beispielfällen, dann erhält man überall Ergebnisse von nur wenigen Tausend Jahren, Zahlen, die bei genauer Überlegung sogar nochmals reduziert werden müssen, da die Erosionsraten in der anfänglichen Phase um einiges höher gewesen sein müssen als die heute gemessenen.
In „Welten im Zusammenstoß“ konnte Velikovsky aufgrund der Überlieferungen unserer Vorfahren eine der letzten großen Naturkatastrophen auf die Zeit von vor etwa 3 500 Jahren datieren – durchaus stimmig mit den eben angestellten Überschlagsrechnungen. Auch weitere Detailinformationen konnte er aus den Überlieferungen ableiten, unter anderem die Ursache der Kataklysmen. So fand er, dass die Katastrophe von vor 3 500 Jahren durch eine Nahe-Begegnung der Erde mit der Venus hervorgerufen wurde. Die genaue Begründung dafür kann hier leider nicht einmal ansatzweise angeführt werden, dafür müssen wir auf Velikovs-kys Buch verweisen. Aber die daraus gezogenen Schlussfolgerungen für unser Planetensystem führten dazu, dass auch in Bezug auf die Geschichte des Planetensystems die bisherige (aktualistische) Theorie über den Haufen geworfen werden musste.