Globale Gentechnikkonzerne scharren schon lange vor den Toren der EU. Nun sind sie kurz davor, weitreichenden Einlass zu erhalten.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am 14. März dieses Jahres mehrheitlich auf eine Liberalisierung des EU-Gentechnikrechts geeinigt. Vor gut eineinhalb Jahren hatte die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen zu lockern und einen entsprechenden Text erarbeitet. Nun hat die polnische Ratspräsidentschaft einen Kompromisstext ausgearbeitet, der manche Spitzen weggenommen hat, aber immer noch ein massiver Affront ist für Bio-Betriebe und Vertreter von Naturschutz und Artenreichtum. Die Mehrheit der EU-Länder hat für diese neue Version gestimmt.
Im nächsten Schritt sollen Trilogverhandlungen stattfinden, in denen Rat und Parlament sich auf eine Textversion einigen.
Gleiche Rechte für Gentechnik-Pflanzen
Die momentane Version der Vereinbarung würde insbesondere neuen Gentechnik (NGT-) Pflanzen der Kategorie 1 weitreichende Freiheiten bescheren. Zur Kategorie 1 gehören NGT Pflanzen, die auch in der Natur vorkommen oder durch konventionelle Züchtungstechniken erzeugt werden könnten. Sie sollen zukünftig nicht mehr der geltenden Gentechnik-Gesetzgebung unterstellt, sondern den natürlichen Pflanzen gleichgestellt sein. Sie bräuchten beispielsweise keine Sicherheitsprüfungen mehr zu durchlaufen und die Kennzeichnungspflicht würde wegfallen. VerbraucherInnen hätten damit keine Möglichkeit mehr, NGT-Lebensmittel aus konventionellem Anbau zu meiden. Nur Bio-Lebensmittel würden gentechnikfrei bleiben. Die Frage ist aber, wie die Bio-Betriebe ihre Pflanzen davor schützen können, mit NGT-Pflanzen in Kontakt zu kommen. Auch könnten die Patentierungen von NGT-Pflanzen naturnahen Betrieben massive Probleme bereiten, weil die Verwendung natürlicher Pflanzen plötzlich gegen Patentrechte verstößt.
Protestwelle von kritischen Verbänden
Kürzlich hatten 200 Agrar- und Umweltverbände zusammen gegen die Gentechnik-Deregulierung protestiert. Sie haben eine umfassende Liste erarbeitet, in der sie die Gefahren der Liberalisierung aufzeigen.
Tina Andres, Vorsitzende des Bio-Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), spricht angesichts der neuen EU-Entscheidung von einem „schwarzen Tag für die Wachstumsbranche Bio“ und einem „finsteren Tag für die Artenvielfalt, für saubere Luft, Gewässer, fruchtbare Böden in Europa sowie für den Klimaschutz.“ Entscheidende Fragen für eine gerechte Koexistenz von Betrieben mit und ohne Gentechnik seien nicht geklärt, darunter Fragen zur Haftung bei unbeabsichtigter Kontamination und Patentierung.