Noch im Jahr 1960 gab es in Deutschland circa 1,5 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Davon sind heute nur noch circa 260 000 Betriebe übrig. Man schätzt, dass die Zahl bis zum Jahr 2040 auf 100 000 Betriebe weiter sinken wird. Das ist kein Zufall. Denn nahezu jede deutsche Bundesregierung seit dem 2. Weltkrieg hat es kleinen bäuerlichen Betrieben schwerer gemacht mit ihrem Betrieb überhaupt Gewinne zu erzielen. Kleine Bauernhöfe sterben so aus und mit ihnen die Möglichkeit der Menschen, sich vor Ort direkt beim Bauern seine Nahrung zu besorgen. Menschen werden dadurch in die Supermärkte getrieben, während aus ehemals regionalen bäuerlichen Kleinbetrieben managergeführte bäuerliche Großbetriebe entstehen, die knallhart auf Wirtschaftlichkeit getrimmt werden. Stets auf Kosten der Qualität und Natürlichkeit der angebauten Nahrung.
Großkonzerne im Kaufrausch
Gewinner sind Großinvestoren, die – verstärkt in den letzten Jahren – landwirtschaftliche Ackerflächen aufkaufen und anschließend verpachten. So investieren zum Beispiel Aktiengesellschaften, börsennotierte Fonds und branchenfremde Unternehmen zunehmend in Ackerland. Die übrig gebliebenen Kleinbauern können gegen diese Marktmacht kaum mehr bestehen. Allein in den letzten 15 Jahren haben sich die Preise für Ackerland verdreifacht, so eine Studie über die Auswirkungen überregional aktiver Investoren in der Landwirtschaft. 1 Junge Landwirte, die Land kaufen oder pachten wollen, können sich das nicht mehr leisten. Gleichzeitig verändert die Bündelung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe durch Agrarholdings massiv die Struktur vor Ort. Die Möglichkeit der Menschen lokal einzukaufen sinkt dadurch. Leitende Angestellte werden meist durch Briefkästen ersetzt und namenlose Lohnarbeiter ersetzen Familienbetriebe. Eine Integration in die örtliche Gemeinschaft findet kaum noch statt. Zusätzlich gehen übrigens jährlich bundesweit 50 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche an den Wohnungsbau, Straßenbau und andere Zwecke verloren.
Mit „Share Deals“ Steuern sparen
Politisch scheint die Zerstörung gewollt, denn die Politik lässt es zu, dass der großflächige Ankauf von Ackerflächen durch Großinvestoren über sogenannte „Share Deals“ erfolgen kann. Denn während Landwirte für Boden, den sie kaufen, Grunderwerbsteuer zahlen müssen, übernehmen die Großinvestoren einfach die Agrargesellschaften, denen das Land gehört. Diese Deals nennt man „Share Deals“ und für die müssen erst dann Grunderwerbsteuern gezahlt werden, wenn mindestens 95 Prozent der Anteile den Eigentümer wechseln. Und jetzt raten Sie mal, wie viel Prozent der Anteile meist gekauft werden. Richtig: 94,9 Prozent. Wenn die Politik es wollte, könnte sie das in kürzester Zeit ändern.
Kirche, China und andere Investoren
Wer sind eigentlich diese Großinvestoren, die sich anschicken die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte noch mehr zu industrialisieren? Der Tagesspiegel spricht von Investoren aus der Finanzbranche sowie der Möbel- und Pharmaindustrie. Auch die Aldi-Erben sind wohl mit dabei. 2 Aus bäuerlichen Kreisen hört man, dass VW, Shell und sogar die katholische Kirche hier aktiv sind. Sogar ganze Länder beteiligen sich. So hat China im Jahr 2015 fast eine halbe Million Hektar Ackerfläche in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gekauft. Möglich wurde dies durch eine Absprache mit der Bundesregierung. Im Gegenzug erhielt der VW-Konzern das Recht in verschiedenen chinesischen Provinzen insgesamt acht weitere Automobilwerke zu errichten. 3
Landgrabbing, ein internationales Problem
Mittlerweile befinden sich, dem Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge, fast 60 Prozent der deutschen Ackerlandflächen in der Hand von Nichtlandwirten. Doch der auch als Landgrabbing bezeichnete Aufkauf von Ackerflächen findet nicht nur in Deutschland statt. Er ist weltweit zu beobachten. Schätzungen zufolge wechselten zwischen den Jahren 2000 und 2019 weltweit über 100 Millionen Hektar Land den Besitzer. 4 Entweder durch Kauf oder Pacht befinden diese sich nun in den Händen von internationalen Investoren. Die Folgen sind leicht absehbar. Die landwirtschaftlichen Betriebe werden auf Wirtschaftlichkeit getrimmt, was in der Regel bedeutet, dass Umweltverschmutzung und Kinderarbeit zunimmt und der Anbau von Monokulturen gefördert wird, was die Vielfalt vor Ort zerstört und auf lange Sicht ebenso die Böden und damit die Möglichkeit gesunde Lebensmittel anzubauen.