Einfluss der USA auf die ukrainische Regierung
r&z: Sie sprechen von einem Putsch, der von der amerikanischen Regierung unterstützt oder gar forciert wurde. Gibt es dafür Beweise?
D. G.: „Es war ein vom Westen gesponserter Putsch, es gibt kaum Zweifel daran“, erklärte damals der gut informierte frühere CIA-Offizier Ray McGovern. Meiner Meinung nach war es klar ein Putsch der USA, um die Ukraine in die NATO zu ziehen. Im US-Außenministerium hatte Victoria Nuland die Fäden gezogen, zusammen mit Geoffrey Pyatt, dem US-Botschafter in der Ukraine. Die Telefongespräche zwischen Nuland und Botschafter Pyatt, in denen sie vor dem Putsch die Zusammenstellung der neuen Regierung besprachen, wurden abgehört und erregten Aufsehen, weil Nuland damals mit dem Ausdruck „Fuck the EU“ die Europäische Union beleidigt hatte. Aber viele in Westeuropa haben das heute vergessen, weil es schon acht Jahre her ist. Die Russen haben es aber nicht vergessen. Und auch die gestürzten Politiker in der Ukraine wissen, dass die USA für den Putsch in Kiew verantwortlich sind. „Die Amerikaner forcierten erkennbar die konfrontative Entwicklung“, erläuterte der gestürzte Ministerpräsident Nikolai Asarow später in seinem Buch über den Putsch. Die Anführer der Demonstration auf dem Maidan seien in der US-Botschaft ein und aus gegangen und von dort bezahlt und befehligt worden. Es sei den USA aber nie wirklich um die Ukraine gegangen, so Asarow. Man habe die innerukrainischen Konflikte nur als Hebel in der Auseinandersetzung mit Russland benutzt, um Eurasien zu spalten und dadurch zu schwächen.
Die politische Lage aus russischer Sicht
r&z: Das klingt so, als ob Putin, aus seiner Sicht berechtigte Sicherheitsinteressen verteidigt. Was ist Ihr Standpunkt dazu?
D. G.: Putin verteidigt sich gegen die NATO-Osterweiterung. Russland ist der Meinung, die Ukraine dürfe auf keinen Fall Mitglied der NATO werden. Das ist die rote Linie für Moskau. Putin hat bei seinem Treffen mit US-Präsident Biden im Juni 2021 in der Schweiz dieses Thema angesprochen. Er hat versucht, von Biden eine schriftliche Garantie zu erhalten, dass die Ukraine nie in die NATO aufgenommen werde. Aber Biden hat das abgelehnt. Nun hat Putin den Weg der Invasion gewählt. Das ist bedauerlich und illegal. Wir sollten immer versuchen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Mein Eindruck ist, dass Putin versucht, einen Schachzug der NATO zu kopieren, den diese 1999 im Kosovo angewendet hat: Damals gab es in Serbien Spannungen zwischen der UÇK („Befreiungsarmee des Kosovo“) und den Serben. Daraufhin hat die NATO angegriffen und den Kosovo aus Serbien herausgetrennt, so wie jetzt Putin den Donbass aus der Ukraine herausgetrennt hat. Der Internationale Gerichtshof sagte damals zum Kosovo, dass eine einseitige Sezession, also Unabhängigkeitserklärung, vom Völkerrecht gedeckt sei. Putin wird argumentieren, dass der Donbass die Unabhängigkeit ausrufen und Moskau um Hilfe anfordern durfte. Aber die NATO-Staaten, vor allem die USA, sehen das natürlich ganz anders und betonen, dass die Grenzen der Ukraine von Russland nicht verletzt werden dürfen, obschon sie das in Serbien selber getan haben.
r&z: Der Westen liefert Waffen an die Ukraine und fordert harte Sanktionen gegenüber Russland. Wie stehen Sie dazu?
D. G.: Ja, die USA haben die Regierung in Kiew in ihrem Krieg gegen den Donbass seit Jahren mit Waffen und Beratung unterstützt. Die Einmischung der USA in die Politik der Ukraine halte ich für einen schweren Fehler. Wenn Moskau sich in die Politik von Mexiko einmischen und Truppen in Mexiko an der Grenze zu den USA trainieren und bewaffnen würde, wäre Washington auch nicht erfreut.