Noch als Präsidentschaftskandidat hatte Donald J. Trump 2016 im Wahlkampf das Buch „GREAT AGAIN” herausgebracht. Im Kapitel „Außenpolitik: Kämpfen für den Frieden“ prognostiziert er, dass China in den nächsten zehn Jahren die USA als weltgrößte Wirtschaft ablösen wird, und stellt fest: „Wir haben uns kampflos ergeben. Es gibt Menschen, die wünschen, ich würde China nicht als unseren Feind bezeichnen, aber das ist das Land doch!“ 10 Während der Westen und insbesondere die USA und England in China billig produzieren ließen, deindustrialisierten sie sich und versinken nun immer tiefer in Handelsdefizite und Schulden. China dagegen hat eine moderne Industrie und Infrastruktur aufgebaut und ist zum größten Gläubiger der USA geworden. Während sich beide Länder bereits in einem Handelskrieg befinden, betrachtet das US-Militär China als potenziellen Gegner. Und eine Umfrage des Pew Research Center aus dem Jahr 2017 zeigte bereits: 55 Prozent der US-Bevölkerung haben ein negatives Bild von China. 11
Strategische Konkurrenten
Im Trubel der Vorweihnachtstage veröffentlichte das Weiße Haus am 17. Dezember 2017 die neue „Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten” (NSS). In ihr finden sich die außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten der Regierung und nicht zuletzt auch die des Präsidenten. Diese Nationale Sicherheits-Strategie setzte Amerika an die erste Stelle 12, bezeichnete China – neben Russland – als „revisionistische Macht„ und erklärte es zu einem „strategischen Konkurrenten“. 13
Diese Sicherheitsdirektive hatte der hoch dekorierte Soldat und Russland-Hardliner General Herbert R. McMaster ausgearbeitet. Er war vor seiner Berufung zum Nationalen Sicherheitsberater stellvertretender Kommandierender General des „United States Army Training and Doctrine Command” (TRADOC) in Fort Monroe, Hampton (Virginia) und dort mitverantwortlich für die oben erwähnte US-Langzeitstrategie TRADOC 525-3-1.
Seither wird spekuliert, ob ein Krieg zwischen der absteigenden Supermacht USA und der aufsteigenden Macht China unausweichlich ist, und in der Geschichte nach vergleichbaren Situationen gesucht.
USA und China in der Thukydides-Falle
Der griechische Historiker Thukydides (454–395 v. Chr.) stellte den Krieg zwischen Athen und Sparta in seinem Werk „Der Peloponnesische Krieg” (431 und 411 v. Chr.) als unvermeidlich dar, weil die aufsteigende Seemacht Athen die Ängste der etablierten Landmacht Sparta angefacht habe. Athen und Sparta waren nicht in der Lage, die Rivalität friedlich zu lösen und es kam zu einem lang währenden Krieg. Diese Art von Thukydides-Falle möchte die Bevölkerung bestimmt nicht mehr erleben. Im Verhältnis zwischen der absteigenden Seemacht USA und der aufsteigenden Landmacht China drängen sich dem Harvard-Professor Graham Allison – ehemals Berater der Verteidigungsminister unter Reagan, Clinton und Obama – Parallelen zu dieser Ausgangslage auf: „Wie einst Deutschland hat China das Gefühl, es sei um seinen ihm zugehörigen Platz unter den Großmächten betrogen worden, als es schwach war“, und „wie Deutschland hat China den festen Willen und auch die Mittel dazu, den Status quo zu verändern. Derweil verteidigen die Vereinigten Staaten wie einst Großbritannien eifersüchtig ihre führende Position in der Welt und verhindern entschlossen die chinesischen Versuche, die bestehende Weltordnung zu verändern.“
Für Allison ist die sogenannte Thukydides-Falle, die Bedrohung einer bestehenden Macht durch eine aufstrebende Macht, letztlich nur durch eine kriegerische Auseinandersetzung zu lösen. In der Geschichte der Menschheit hat es laut Allison insgesamt 16 solcher Thukydides-Fallen gegeben. Nur vier davon endeten ohne Blutvergießen. So konnte der rasante wirtschaftliche Aufstieg der USA zum Konkurrenten der damaligen Weltmacht Großbritannien unter den zwei verwandten Seemächten friedlich gelöst werden. Dagegen führte die Rivalität zwischen der Landmacht Deutschland und der absteigenden Seemacht Großbritannien gegen Ende des 19. Jahrhunderts in verheerende Kriege (1. und 2. Weltkrieg). Die USA besitzen den geografischen Vorteil, dass ihnen gleich zwei Ozeane als strategische Pufferzonen dienen, während Deutschland mit seiner Mittellage allen Nachbarn sozusagen im Weg stand; China musste dagegen die Erfahrung machen, „dass feindliche Mächte 200 Jahre lang militärischen Druck auf ihre Ostküste ausübten“. 14
Internationale Handelsbeziehungen
Der chinesische Aufstieg zu einer wirtschaftlichen Supermacht und einem militärischen Konkurrenten dürfte heute noch viel spektakulärer sein als seinerzeit der deutsche. Während China im indo-asiatischen Raum nur mit Pakistan, Kambodscha und Nordkorea 15 verbündet ist, haben die USA mit Japan, Südkorea, Thailand, Australien und den Philippinen Allianzen; Vietnam und Singapur sind strategische Partner Washingtons. Indonesien, Malaysia, Myanmar, Mongolei, Laos, Nepal, Sri Lanka und Bangladesch sind neutral und versuchen, enge Wirtschaftsbeziehungen sowohl mit den USA als auch mit China aufzubauen.
Seit über 100 Jahren fügten die USA – und Großbritannien seit über 300 Jahren – mit ihren imperialen Attitüden in weiten Regionen der Welt den dort lebenden Menschen große Schäden zu. Das dürfte dort nicht vergessen sein. Waren die G7-Staaten USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Japan und Frankreich vor 30 Jahren noch tonangebend, so tragen sie heute weltweit noch gerade ein Viertel zu Wirtschaft und Handel bei. Während die Bedeutung des Westens ständig schrumpfte, stiegen andere Staaten zu mächtigen Akteuren auf. Entsprechend schwindet der westliche Einfluss (ausgenommen HighTech). 16
Gipfel der BRICS-Staaten 2022
Der chinesische Staatschef Xi Jinping hatte am 23. Juni 2022 zu einem digitalen Gegengipfel der BRICS-Staaten zu G7 mit den fünf aufsteigenden Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika geladen. Xi kritisierte dort erneut die westlichen Sanktionen gegen Russland. „Die Fakten haben wieder einmal bewiesen, dass Sanktionen ein zweischneidiges Schwert sind.“ Und er machte beim BRICS-Gipfel klar: In diesem Kreis ist Putin kein Paria. Brasilien, Indien, China und Südafrika wollen sich auch weiterhin nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Putin gab dem Westen die Schuld an der globalen Wirtschaftskrise 17 und sprach den BRICS-Staaten eine neue Führungsrolle zu. 18
Schon Ende Mai 2022 scheiterte ein Antrag der USA bei der „World Health Assembly”, der der WHO diktatorische Vollmachten wie einer Weltgesundheitsregierung geben sollte, an dem geschlossenen Veto aus dem Afrika-Büro der WHO. Brasilien erklärte sogar, dass man eher aus der WHO austreten würde, als den Vertrag zu unterzeichnen. 19
„Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit”
Am 14./15. Sept 2022 trafen sich die Staatsoberhäupter der Shanghaier Organisation in der usbekischen Stadt Samarkand zur 22. Tagung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ – englisch: Shanghai Cooperation Organisation, SCO). Diese internationale Organisation mit Sitz in Peking wurde 2001 gegründet und ging aus den 1996 gegründeten „Shanghai Five” hervor (China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland und Tadschikistan). Inzwischen sind Indien, Iran und Usbekistan hinzugekommen. Außer den acht Vollmitgliedern gibt es vier Beobachterländer und zahlreiche Dialogpartner. Die SOZ ist derzeit die größte Regionalorganisation der Welt, sie umfasst etwa 60 Prozent der Landfläche Eurasiens und 41 Prozent der Weltbevölkerung. 2021 erwirtschafteten ihre Mitglieder circa ein Viertel des weltweiten Bruttosozialprodukts.