Chinas neue Seidenstraße

 – im geopolitischen Fokus der USA

China als neuer Feind der westlichen Welt. Warum die USA ihren Status als Weltmacht verliert und Deutschland sich genau überlegen sollte mit wem es zukünftig zusammenarbeitet. Neue Hintergründe zur geopolitischen Lage – beleuchtet vom Politikwissenschaftler Wolfgang Effenberger.

Von Wolfgang Effenberger, München

Vom 26. bis 28. Juni 2022 trafen sich im idyllisch gelegenen bayrischen Schloss Elmau die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Kanadas, Deutschlands, Japans, Italiens und Frankreichs. Als Vertreter der Europäischen Union nahmen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel an allen drei Tagen am G7-Gipfel teil.

Schwerpunkt China

Einen Tag vor dem Gipfel hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, die Marschrichtung für Elmau vorgegeben: China werde „ein wichtiger Schwerpunkt” beim G7-Gipfel in Bayern sein. Das war zu erwarten, da nur einen Monat zuvor der US-Außenminister Antony Blinken China – trotz der akuten Krise durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – auf lange Sicht als größte Herausforderung für die internationale Ordnung dargestellt hatte. Um Chinas steigenden Einfluss einzudämmen und als Antwort auf das 2013 von China gestartete erfolgreiche Projekt „Neue Seidenstraße” (One Belt, One Road), schlug US-Präsident Biden in Elmau eine „Partnerschaft für Globale Infrastruktur” vor.  Dazu sollte eine Initiative unter dem Motto „Build Back Better World” (B3W) – Eine bessere Welt wiederaufbauen – ins Leben gerufen werden. 1 Von der US-Administration wird Bidens Plan gewissermaßen als demokratischer Gegenentwurf zu Chinas autokratischem Projekt verkauft. Doch allen dürfte klar sein, dass es sich bei der B3W-Initiative zunächst nur um eine Absichtserklärung handelt. Auch hier geht es ausschließlich um die strategischen Interessen der USA.

Unterstützer der Neuen Seidenstraße

Da wundert es nicht, dass einige G7-Staaten mit der Neuen Seidenstraße der Chinesen liebäugeln. Sobald eine weniger transatlantisch eingebundene italienische Regierung an der Macht ist, könnte sie die Nähe zur neuen Seidenstraße suchen. Mit der Machtübernahme des Transatlantikers Mario Draghi begann die italienische Regierung damit, sich von der Neuen Seidenstraße zu distanzieren. Dabei galt die Vorgängerregierung als stärkster europäischer Unterstützer des chinesischen Mega-Projekts, sollte doch vor allem Venedig als europäischer Eintrittspunkt für den Seeweg der Neuen Seidenstraße fungieren. Unter Premier Giuseppe Conte war Italien im Jahr 2019 als erstes G7-Land der Initiative zur Neuen Seidenstraße beigetreten, was zu scharfen Reaktionen aus Washington führte. 1 Aber auch die City of London und einige politische Zirkel in London unterstützen das chinesische Projekt. So ist nicht auszuschließen, dass der Brexit mit dieser chinesischen Initiative zusammenhängt. Durch das Lösen von der EU kann nun Großbritannien völlig souverän seine Handelsbeziehungen mit China ausbauen.

Kampf gegen Windmühlen

Um Chinas erfolgreichem Ausbau neuer Handelswege nach Europa, Afrika und Lateinamerika etwas entgegenzusetzen, soll viel Geld in die Hand genommen werden (bis 2027 ca. 600 Milliarden US-Dollar – 200 Milliarden allein von den USA). 2 Ob mit der „B3W”-Initiative die erfolgreiche chinesische „Neue Seidenstraße” ausgehebelt und die Entwicklungs- und Schwellenländer dem immer stärkeren wirtschaftlichen Einfluss Chinas entzogen werden können, erscheint mehr als fraglich, vielmehr scheint sich die Initiative im Gegensatz zu Chinas Mega-Projekt als „impotent” zu erweisen. 3 Unter US-Präsident Clinton wurde am 19. März 1999 – nur fünf Tage vor dem völkerrechtswidrigen Angriff der USA auf Restjugoslawien – das Seidenstraßenstrategiegesetz auf den Weg gebracht. Es scheiterte kläglich. 23 Jahre später ist der globale Süden dabei, eine eigenständige Kraft zu werden. Da hat ein neues US-Projekt noch weniger Chancen.

Um Chinas steigenden Einfluss einzudämmen […] schlug US-Präsident Biden in Elmau eine „Partnerschaft für Globale Infrastruktur“ vor.

Das wird zu weiteren Spannungen im Verhältnis USA – China führen. Zum Missfallen der Volksrepublik China, die sich selbst für eine treibende Kraft für den Frieden hält, hat die NATO auf ihrem Gipfel am 14./15. Juni 2021 in Brüssel die Volksrepublik als „anhaltende Herausforderung für die Sicherheit“ eingestuft. Als Bedrohung empfindet Washington unter anderem Chinas Vorgehen im Südchinesischen Meer, wo es unter anderem nahe der Spratly-Inselgruppe künstliche Inseln aufschüttet und militärisch aufrüstet. Das macht China zum eigenen Schutz vor der eigenen Haustüre. Und die Bedrohung durch die USA ist kein Hirngespinst!

Bereits im ersten Amtsjahr – am 13. November 2009 – bezeichnet sich US-Präsident Barack Obama in einer Grundsatzrede vor seinem pazifischen Verbündeten Tokio als „erster pazifischer Präsident“ der USA, denn die „Geschichte von Amerika und des asiatischen pazifischen Raumes sind nie enger miteinander verbunden gewesen“. 5 Gleichzeitig kündigte er ein stärkeres Engagement in den asiatischen Ländern an und betonte den Führungsanspruch der USA in der Welt. Anfang Oktober 2011 unterstrich die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton die neue Außenpolitik ihres „ersten pazifischen“ Präsidenten als „Schwenk nach Asien“: „Die Zukunft der Politik wird in Asien entschieden, nicht in Afghanistan oder im Irak, und die Vereinigten Staaten werden im Mittelpunkt der Aktion stehen.“  6 Damit sei die Verlegung des Einsatzschwerpunktes des US-Militärs vom Großraum Naher Osten hin nach Asien zwangsläufig. Und am 9. Februar 2012 sprach Admiral Samuel Locklear im Verteidigungsausschuss des US-Senats anlässlich seiner Nominierung zum Chef des amerikanischen Pazifik-Kommandos Klartext: „Wir sind eine Großmacht in Asien. Die Chinesen und die anderen Länder der Region müssen begreifen, dass die USA bereit sind, dort ihre nationalen Interessen zu verteidigen. 7

Amerikas neuster Feind 

Seit September 2014 – ein halbes Jahr nach dem Maidan-Putsch in Kiew (Ukraine) – ist in der gültigen US-Langzeitstrategie TRADCOC 525-3-1 „Win in a Complex World 2020-2040” 8 nachzulesen, dass sich die US-Streitkräfte darauf vorbereiten sollen, die unipolare Weltordnung durchzusetzen. Stand die Bedrohung durch Russland im Herbst 2014 an erster  Stelle, so stellt die neue Strategie von 2022 China an die erste Stelle. Es folgen Nordkorea und der Iran. Im Vergleich zum Oktober 2014 ist in der Nationalen Verteidigungstrategie von 2022 noch die Überprüfung der Nuklearposition und der Raketenabwehr hinzugekommen. 9

Das wird zu weiteren Spannungen im Verhältnis USA – China führen.

Noch als Präsidentschaftskandidat hatte Donald J. Trump 2016 im Wahlkampf das Buch „GREAT AGAIN” herausgebracht. Im Kapitel „Außenpolitik: Kämpfen für den Frieden“ prognostiziert er, dass China in den nächsten zehn Jahren die USA als weltgrößte Wirtschaft ablösen wird, und stellt fest: „Wir haben uns kampflos ergeben. Es gibt Menschen, die wünschen, ich würde China nicht als unseren Feind bezeichnen, aber das ist das Land doch!“  10 Während der Westen und insbesondere die USA und England in China billig produzieren ließen, deindustrialisierten sie sich und versinken nun immer tiefer in Handelsdefizite und Schulden. China dagegen hat eine moderne Industrie und Infrastruktur aufgebaut und ist zum größten Gläubiger der USA geworden. Während sich beide Länder bereits in einem Handelskrieg befinden, betrachtet das US-Militär China als potenziellen Gegner. Und eine Umfrage des Pew Research Center aus dem Jahr 2017 zeigte bereits: 55 Prozent der US-Bevölkerung haben ein negatives Bild von China. 11

Strategische Konkurrenten

Im Trubel der Vorweihnachtstage veröffentlichte das Weiße Haus am 17. Dezember 2017 die neue „Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten” (NSS). In ihr finden sich die außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten der Regierung und nicht zuletzt auch die des Präsidenten. Diese Nationale Sicherheits-Strategie setzte Amerika an die erste Stelle 12, bezeichnete China – neben Russland – als „revisionistische Macht„ und erklärte es zu einem „strategischen Konkurrenten“. 13
Diese Sicherheitsdirektive hatte der hoch dekorierte Soldat und Russland-Hardliner General Herbert R. McMaster ausgearbeitet. Er war vor seiner Berufung zum Nationalen Sicherheitsberater stellvertretender Kommandierender General des „United States Army Training and Doctrine Command” (TRADOC) in Fort Monroe, Hampton (Virginia) und dort mitverantwortlich für die oben erwähnte US-Langzeitstrategie TRADOC 525-3-1.

Seither wird spekuliert, ob ein Krieg zwischen der absteigenden Supermacht USA und der aufsteigenden Macht China unausweichlich ist, und in der Geschichte nach vergleichbaren Situationen gesucht.

USA und China in der Thukydides-Falle

Der griechische Historiker Thukydides (454–395 v. Chr.) stellte den Krieg zwischen Athen und Sparta in seinem Werk „Der Peloponnesische Krieg” (431 und 411 v. Chr.) als unvermeidlich dar, weil die aufsteigende Seemacht Athen die Ängste der etablierten Landmacht Sparta angefacht habe. Athen und Sparta waren nicht in der Lage, die Rivalität friedlich zu lösen und es kam zu einem lang währenden Krieg. Diese Art von Thukydides-Falle möchte die Bevölkerung bestimmt nicht mehr erleben. Im Verhältnis zwischen der absteigenden Seemacht USA und der aufsteigenden Landmacht China drängen sich dem Harvard-Professor Graham Allison – ehemals Berater der Verteidigungsminister unter Reagan, Clinton und Obama – Parallelen zu dieser Ausgangslage auf: „Wie einst Deutschland hat China das Gefühl, es sei um seinen ihm zugehörigen Platz unter den Großmächten betrogen worden, als es schwach war“, und „wie Deutschland hat China den festen Willen und auch die Mittel dazu, den Status quo zu verändern. Derweil verteidigen die Vereinigten Staaten wie einst Großbritannien eifersüchtig ihre führende Position in der Welt und verhindern entschlossen die chinesischen Versuche, die bestehende Weltordnung zu verändern.“

Für Allison ist die sogenannte Thukydides-Falle, die Bedrohung einer bestehenden Macht durch eine aufstrebende Macht, letztlich nur durch eine kriegerische Auseinandersetzung zu lösen. In der Geschichte der Menschheit hat es laut Allison insgesamt 16 solcher Thukydides-Fallen gegeben. Nur vier davon endeten ohne Blutvergießen. So konnte der rasante wirtschaftliche Aufstieg der USA zum Konkurrenten der damaligen Weltmacht Großbritannien unter den zwei verwandten Seemächten friedlich gelöst werden. Dagegen führte die Rivalität zwischen der Landmacht Deutschland und der absteigenden Seemacht Großbritannien gegen Ende des 19. Jahrhunderts in verheerende Kriege (1. und 2. Weltkrieg). Die USA besitzen den geografischen Vorteil, dass ihnen gleich zwei Ozeane als strategische Pufferzonen dienen, während Deutschland mit seiner Mittellage allen Nachbarn sozusagen im Weg stand; China musste dagegen die Erfahrung machen, „dass feindliche Mächte 200 Jahre lang militärischen Druck auf ihre Ostküste ausübten“. 14

Internationale Handelsbeziehungen

Der chinesische Aufstieg zu einer wirtschaftlichen Supermacht und einem militärischen Konkurrenten dürfte heute noch viel spektakulärer sein als seinerzeit der deutsche. Während China im indo-asiatischen Raum nur mit Pakistan, Kambodscha und Nordkorea 15 verbündet ist, haben die USA mit Japan, Südkorea, Thailand, Australien und den Philippinen Allianzen; Vietnam und Singapur sind strategische Partner Washingtons. Indonesien, Malaysia, Myanmar, Mongolei, Laos, Nepal, Sri Lanka und Bangladesch sind neutral und versuchen, enge Wirtschaftsbeziehungen sowohl mit den USA als auch mit China aufzubauen.

Seit über 100 Jahren fügten die USA – und Großbritannien seit über 300 Jahren – mit ihren imperialen Attitüden in weiten Regionen der Welt den dort lebenden Menschen große Schäden zu. Das dürfte dort nicht vergessen sein. Waren die G7-Staaten USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Japan und Frankreich vor 30 Jahren noch tonangebend, so tragen sie heute weltweit noch gerade ein Viertel zu Wirtschaft und Handel bei. Während die Bedeutung des Westens ständig schrumpfte, stiegen andere Staaten zu mächtigen Akteuren auf. Entsprechend schwindet der westliche Einfluss (ausgenommen HighTech). 16

Gipfel der BRICS-Staaten 2022

Der chinesische Staatschef Xi Jinping hatte am 23. Juni 2022 zu einem digitalen Gegengipfel der BRICS-Staaten zu G7 mit den fünf aufsteigenden Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika geladen. Xi kritisierte dort erneut die westlichen Sanktionen gegen Russland. „Die Fakten haben wieder einmal bewiesen, dass Sanktionen ein zweischneidiges Schwert sind.“ Und er machte beim BRICS-Gipfel klar: In diesem Kreis ist Putin kein Paria. Brasilien, Indien, China und Südafrika wollen sich auch weiterhin nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Putin gab dem Westen die Schuld an der globalen Wirtschaftskrise 17 und sprach den BRICS-Staaten eine neue Führungsrolle zu. 18
Schon Ende Mai 2022 scheiterte ein Antrag der USA bei der „World Health Assembly”, der der WHO diktatorische Vollmachten wie einer Weltgesundheitsregierung geben sollte, an dem geschlossenen Veto aus dem Afrika-Büro der WHO. Brasilien erklärte sogar, dass man eher aus der WHO austreten würde, als den Vertrag zu unterzeichnen. 
19

„Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit”

Am 14./15. Sept 2022 trafen sich die Staatsoberhäupter der Shanghaier Organisation in der usbekischen Stadt Samarkand zur 22. Tagung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ – englisch: Shanghai Cooperation Organisation, SCO). Diese internationale Organisation mit Sitz in Peking wurde 2001 gegründet und ging aus den 1996 gegründeten „Shanghai Five” hervor (China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland und Tadschikistan). Inzwischen sind Indien, Iran und Usbekistan hinzugekommen. Außer den acht Vollmitgliedern gibt es vier Beobachterländer und zahlreiche Dialogpartner. Die SOZ ist derzeit die größte Regionalorganisation der Welt, sie umfasst etwa 60 Prozent der Landfläche Eurasiens und 41 Prozent der Weltbevölkerung. 2021 erwirtschafteten ihre Mitglieder circa ein Viertel des weltweiten Bruttosozialprodukts.

Seit über 100 Jahren fügten die USA – und Großbritannien seit über 300 Jahren – mit ihren
imperialen Attitüden in weiten Regionen der Welt den dort lebenden Menschen große Schäden zu.

Und die SOZ wächst weiter. Auf dem Gipfeltreffen wurden das Beitrittsverfahren Weißrusslands eingeleitet und Absichtserklärungen unterzeichnet, die Ägypten, Saudi-Arabien und Katar den Status von SOZ-Dialogpartnern verleihen; ferner einigte man sich auf die Aufnahme von Bahrain, den Malediven, den VAE, Kuwait und Myanmar als neue Dialogpartner. 20

Solidarität in der SOZ

Aus Peking war der chinesische Präsident Xi Jinping nach Zentralasien gereist, um auf der 22. Sitzung des Rates der Staatsoberhäupter der SOZ im Internationalen Konferenzzentrum von Samarkand eine wichtige Rede zu halten: „Den Trend der Zeit erfassen, Solidarität und Zusammenarbeit verstärken und eine schöne Zukunft gemeinsam gestalten“. 21

Er beschwor den „Geist von Shanghai“ und rief die Repräsentanten dazu auf, die Einheit und Zusammenarbeit untereinander zu stärken. China sei bereit, mit allen anderen Akteuren zusammenzuarbeiten, um die chinesische globale Entwicklungsinitiative voranzutreiben und die sogenannte „Belt and Road Initiative” gemeinsam zu fördern. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums bezeichnete die Veranstaltung als „Chinas wichtigstes Ereignis der Chefdiplomatie am Vorabend des 20. Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas”20 und erklärte, dass dies die große Bedeutung zeige, die China der SOZ beimesse.

Imperium unter Druck

Am 27. Oktober 2022 veröffentlichte das US-Militär drei Strategiedokumente, in denen es Pläne für einen Konflikt mit China und Russland skizziert und erklärt, dass Atomwaffen das „Fundament” der US-Militärstrategie bilden.

Die Veröffentlichung der Nationalen Verteidigungsstrategie, der „Nuclear Posture Review” und der „Missile Defense Review” erfolgte weniger als zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Nationalen Sicherheitsstrategie der Biden-Regierung, in der versprochen wird, dass die Vereinigten Staaten in einem „entscheidenden Jahrzehnt” den Konflikt mit Russland und China „gewinnen” werden. 22 Da ist sie wieder, die unter Obama und Biden entstandene Langzeitstrategie TRADOC 525-3-1 „Win in a Complex World 2020-2040”. Die vier abzuschreckenden Länder sind gleich geblieben, nur dass China vor Russland steht. Es folgen dann Nordkorea und der Iran.

Es geht den USA bei China um verbesserte künftige Kriegführungsfähigkeiten und bei Russland auch um die erweiterte nukleare Abschreckung. 9

Chinas Megatrend

Inzwischen haben die oligarchischen Machtstrukturen, also eine kleine Gruppe von reichen und mächtigen Familien, die USA einerseits industriell entkernt und andererseits in ein Imperium verwandelt, mit dem Ziel, die ganze Erde zu beherrschen. Die wirtschaftlichen Mittel der USA dürften im Jahr 2022 allerdings nicht mehr dazu ausreichen, dieses Ziel noch zu erreichen. Ans Aufgeben denkt die US-Oligarchie aber keineswegs.
Dagegen ist der Aufstieg Chinas ein Megatrend, der das weltweite Machtgefüge stärker beeinflusst als irgendein anderes Phänomen seit dem Ende des Kalten Krieges. Gemäß einer Umfrage des „European Council on Foreign Relations” (ECFR) im Januar 2021 erwartet inzwischen eine Mehrheit der europäischen Bürger, dass China bis 2030 die USA als führende Weltmacht ablösen wird. 23 Das wird die US-Machtelite mit allen Mitteln verhindern wollen – Thukydides lässt grüßen.

Fußnoten

1  https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/512730/Wie-die-USA-mit-einem-impotenten-Projekt-Chinas-Neue-Seidenstrasse-aushebeln-wollen
2  https://web.de/magazine/politik/g7-gipefel-elmau-globale-infrastruktur-initiative-konkurrenz-china-neue-seidenstrasse-37053400
3  https://www.nzz.ch/wirtschaft/wie-europa-und-die-usa-chinas-neue-seidenstrasse-kontern-wollen-ld.1629494?reduced=true
4  https://www.rnd.de/politik/china-verurteilt-erklaerung-von-nato-gipfel-mentalitaet-des-kalten-kriegs-HHMXMMDKKS5CM6XBZQH5XGJ3IQ.html
5  https://www.spiegel.de/politik/ausland/us-praesident-in-tokio-obama-umwirbt-asiens-saaten-a-661256.html
6  https://foreignpolicy.com/2011/10/11/americas-pacific-century/
7  https://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg80073/html/CHRG-112shrg80073.htm
8 https://usacac.army.mil/sites/default/files/documents/cact/GEN%20PERKINS%20HOW%20TO%20WIN%20IN%20COMPLEX%20WORLD.pdf
9  https://media.defense.gov/2022/Oct/27/2003103845/-1/-1/1/2022-NATIONAL-DEFENSE-STRATEGY-NPR-MDR.PDF
10 Donald J. Trump: „Great Again! Wie ich Amerika retten werde“, Kulmbach 2016, S. 60
11 www.pewresearch.org/fact-tank/2017/02/10/Merians-have-grown-more-negative-toward-china-over-past-decade/
12 https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2017/12/NSS-Final-12-18-2017-0905.p
13 Siehe http://nssarchive.us/national-security-strategy-2017/
14 https://www.watson.ch/wirtschaft/gesellschaft%20&%20politik/525357552-die-gefaehrlichste-mutprobe-der-welt-usa-gegen-china
15 https://www.handelsblatt.com/politik/international/verteidigungsbuendnis-china-und-nordkorea-wollen-ihr-buendnis-staerken/27410668.html
16  https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/g7-gipfel-in-deutschland-der-gipfel-der-den-westen-retten-muss-kolumne-a-9f41b909-e950-4ccf-8509-713206dc1add
17 „Wegen der undurchdachten egoistischen Handlungen einzelner Länder, die mittels finanzieller Mechanismen ihre eigenen Fehler in der Makroökonomie auf die ganze Welt abwälzen.“
18 https://www.wallstreet-online.de/nachricht/15617111-putin-wirft-westen-brics-gipfel-egoismus
19 https://tkp.at/2022/06/01/veto-aus-afrika-dieese-laender-blockierten-die-who-plaene/
20 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220917_OTS0043/cgtn-samarkand-gipfeltreffen-chinas-vorschlaege-zur-staerkung-der-soz-sco-einheit-und-zusammenarbeit
21 http://de.china-embassy.gov.cn/det/zgyw_/202209/t20220916_10767179.htm
22 https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/Article/3202438/dod-releases-national-defense-strategy-missile-defense-nuclear-posture-reviews/
23 https://ecfr.eu/wp-content/uploads/The-crisis-of-American-power-How-Europeans-see-Bidens-America.pdf

Autor

Wolfgang Effenberger

Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie „Die unterschätzte Macht” (2022).

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