Wer wissen will, wie sich der Mensch entwickelt hat, wird in den Schulbüchern lesen, dass vom Erscheinen der ersten Urmenschen bis zu den ersten Kulturen etwa 2,5 Millionen Jahre vergingen. Man nennt diese Zeit auch die Altsteinzeit, das Paläolithikum. Der Übergang von der Alt- zur Jungsteinzeit, dem Neolithikum, wurde mit der Entstehung der Landwirtschaft erklärt, die auch neolithische Revolution genannt wird. Die Domes-tizierung von Pflanzen und Tieren war laut wissenschaftlicher Lehrmeinung die entscheidende Wende in der Geschichte des Homo Sapiens.
Durch den kontrollierten Anbau von Nutzpflanzen war der Mensch nun in der Lage, mehr Lebensmittel als zuvor zu produzieren und damit war die Grundvoraussetzung geschaffen, um größere Siedlungen und die ers-ten Kulturen zu gründen. Aber wie vor circa 10 000 Jahren wandernde Jäger und Sammler den Vorgang der Domestikation organisiert haben, ist nicht geklärt und bleibt bis zum heutigen Tag mehr als rätselhaft.
Der Forschung fehlen Hinweise von den wilden Urpflanzen bis hin zu den ersten domestizierten Formen. Wie und von welcher Urpflanze die Domestizierung ausging, ist nicht in jedem Fall eindeutig nachvollziehbar. Für Kartoffeln, Äpfel und Weizen ist die Frage der Ausgangspflanze mittlerweile durch weltweite genetische Vergleiche geklärt worden, aber dass der Ursprung dieser Pflanzen immer in einer Hochlandregion lag, war so nicht erwartet worden.
Ackerbau begann im Hochland
Bis in die Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts nahm man an, dass der Ackerbau zuerst in den Tieflandgegenden des fruchtbaren Halbmonds auftrat, von wo aus sich dann die ers-ten Hochkulturen in Sumer und Babylon, dem heutigen Irak, gründeten. Ende der Vierziger Jahre tauchten dann aber Hinweise auf für erste Spuren von Ackerbau im Hochland. Eine ziemlich rätselhafte Erkenntnis, da Ackerbau naturgemäß in Höhenlagen viel schwieriger zu organisieren ist als in den fruchtbaren und wärmeren Tälern.
Warum die ersten Bauern den kargen Boden in den Höhenlagen bevorzugten, ist den Wissenschaftlern immer noch schleierhaft. Dieses Phänomen war nicht nur in Nordmesopotamien entdeckt worden, sondern auch im Himalaya, in China, Mittelamerika und den Anden, vor allem aber in Anatolien. Wie schafften es unsere Vorfahren, wilde Urpflanzen derart mutieren zu lassen, dass aus ihnen ganz anders geartete Pflanzen („Nutzpflanzen“) entstanden? Denn schon für die normale Zucht von Pflanzen und Tieren braucht man fundiertes und fortgeschrittenes Wissen. Damit neue Merkmale in der Zucht nicht verschwinden, bedarf es einer genauen Steuerung und Koordination der Kreuzungen. Dazu braucht es eine exakte Planung inklusive gewisser Phasen von Inzucht.
Züchtung darf aber nicht mit der Entstehung einer neuen Art verwechselt werden, bei der es um ganz gezielte und markante Veränderungen geht. Gerade was die Entstehung des Mais betrifft, müssen unsere Experten eingestehen, „dass die Ursprünge des Mais‘ nach wie vor eines der größten Rätsel der Hauptkulturpflanzen darstellen.“ Einige fragen sogar, „ob sich als Ergebnis des Vorgangs der Domestikation irgendein unbekannter Mechanismus von beschleunigter Evolution eingeschaltet habe.“ (A. Risi, S. 246 ff)
War es also einfach nur unwissendes Handeln und ein glücklicher Zufall, der letztendlich zum Ergebnis führte? Was war der Grund für das punktuelle Erscheinen von domestizierten Pflanzen in der Zeit von 10 000 – 5 000 vor unserer Zeitrechnung? Hunderttausende Jahre hatten die Menschen erfolgreich als Jäger und Sammler überlebt und gaben dann im Laufe weniger Jahrtausende fast gleichzeitig ihren Lebensstil auf. Warum kam die ganze Zeit vorher niemand auf die Idee, Tiere und Pflanzen zu züchten und zu manipulieren?