Welche Erfahrungen willst du machen?
Nehmen wir einmal an, diese Idee einer forschenden Seele entspricht der Wirklichkeit. Dann wäre Folgendes denkbar und sinnvoll:
Damit die Seele, die sich auf die Erfahrung des Menschseins einlässt, sicher sein kann, dass sie ihre Fähigkeiten wie geplant zu entfalten lernt, würde sie sogenannte Seelenverträge eingehen. Was hier so bürokratisch klingt, wären im Himmel aus Liebe geschlossene Vereinbarungen, die den Seelen helfen, das, was sie erfahren wollen, um sich weiterzuentwickeln, auch wirklich zu erfahren. Seelen könnten zum Beispiel bedingungslose Liebe erforschen wollen, Hingabe, Freiheit oder Grenzen. Ein Seelenvertrag könnte dann eine besonders schwierige Lebenssituation herstellen. Er könnte sich auf das Lernen von bestimmten Lektionen beziehen. Ein Seelenvertrag könnte dazu führen, dass man einem rettenden Engel auf Erden begegnet oder genau die Arbeitsstelle bekommt, die man sich gewünscht hat. Darin könnte vereinbart sein, dass man einen Seelenpartner trifft, mit dem man höchstes Glück oder auch tiefstes Leid erlebt. Er könnte auch dazu führen, dass sich ein Mensch ganz und gar unmöglich uns gegenüber benimmt, uns emotional oder körperlich verletzt, uns im Stich lässt oder uns große Schwierigkeiten bereitet. Ein Seelenvertrag würde alles beinhalten, was die Seele hier auf Erden erleben will.
Vergiss deine geistige Natur
Damit aber eine Seele echte Erfahrungen als Mensch machen kann, muss sie voll und ganz zum Menschen werden. Damit sie das kann, wird sie zunächst alles vergessen müssen, was sie über sich selbst weiß. Warum ist das so?
Solange die Seele weiß, dass sie in Wahrheit ein geistiges Wesen ist, das untrennbar eins ist mit allem, unsterblich und unteilbar, kann sie die körperlichen Gegebenheiten nicht ernst nehmen. Eine Erfahrung kann man nur dann als real erleben, wenn man das, was man erlebt, mit allen Sinnen erfährt und wenn man sich selbst diese Erfahrung glaubt. Auf körperliche Weise lebendig zu sein, ist ein Zustand, der sich vollkommen vom körperlosen Zustand
unterscheidet.
Sei sterblich und fühlend
Damit die Seele das Leben auf der Erde als reale Erfahrung erlebt, muss sie also zunächst sich selbst und ihre Anbindung an die Geistige Welt, aus der sie stammt, vergessen. Sie muss fühlen, was sie erlebt. Sie muss eins werden mit den Erfahrungen. „Sei dein Projekt„, ist der Slogan, den die Seele mit auf den Weg bekommt, „sei sterblich und fühlend, sei Mensch.“
Doch wie soll sie alles vergessen und zum fühlenden Wesen werden? Indem sie so sehr und so existenziell fühlt, dass dieses Fühlen alles andere ausblendet. Hier kommt das Innere Kind ins Spiel.
Prägende Erlebnisse für ein Kind
Machen wir einen Ausflug zurück in unsere Kindheit. Fast jeder wurde verletzt, verlassen, beschämt und nicht verstanden – absichtlich oder aus Versehen. Das war nicht weiter schlimm, wenn wir in unserem Schmerz gesehen, gehalten und getröstet wurden. Kinder haben eine starke psychische Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz, die dafür sorgt, dass sie psychisch gesund bleiben, auch wenn sich die menschliche Umgebung merkwürdig verhält. Wurden wir als Kind getröstet, fing jemand unseren Schmerz auf, blieb nicht einmal eine Narbe zurück. Wir machten zwar die Erfahrung, dass wir emotional verletzt wurden, doch dann wurden wir getröstet, die Verletzung heilte, und am Ende haben wir gelernt: Wenn ich verletzt werde, dann fängt mich jemand auf, ich bin nicht alleine damit. Das war eine gesunde, gute Erfahrung, die uns den Rücken stärkte.
Doch wenn niemand da war, der uns als Kind gehalten, getröstet, in Schutz genommen und in aller Empfindsamkeit gesehen hat, mussten wir uns vor lauter Schmerz und innerer Einsamkeit von uns selbst abspalten und innerlich so tun, als wären wir gar nicht verletzt. Doch das Gehirn, besonders das Angstzentrum, die sogenannte Amygdala, wusste von der Verletzung und vermied ab dem Moment Situationen, die eine erneute Verletzung dieser Art hätten auslösen können. Für die Amygdala gibt es keine Zeit. Verletzungen verjähren nicht. Nur wenn man in einer Schmerz auslösenden Situation gleichzeitig positive, tröstende Erfahrungen macht, hinterlässt der Auslöser keine Spuren.Doch statt beschützt zu werden, haben wir oftmals zwei sehr schmerzvolle Erfahrungen gleichzeitig erlebt: Wir wurden verletzt und wir waren damit allein. Ist es da ein Wunder, dass wir uns auch heute selbst im Stich lassen, wenn wir uns emotional verletzt fühlen? Wir kennen es ja nicht anders und sind deshalb davon überzeugt, dass emotionale Kränkung und innere Einsamkeit zwangsläufig Hand in Hand gehen.
Liebevollen Schutz nachholen
Was hat uns als Kind in der schwierigen Situation gefehlt? Ein machtvoller Verbündeter, also jemand, der unverbrüchlich zu uns hielt, uns glaubte und uns beschützte. Das dürfen wir heute für uns selbst sein. Wenn wir das für uns tun, was damals jemand für uns hätte tun müssen, dann holen wir die tröstlichen Erfahrungen, die uns als Kind fehlten, nach. Um das Innere Kind zu heilen, indem wir es in uns in Sicherheit bringen, müssen wir uns behutsam zu ihm hinwenden. Aber wie tun wir das?