Natur ist Wandel
Was heute Klimaschutz heißt, ist, selbst wenn er möglich wäre – kein Naturschutz, sondern das Gegenteil. Klimawandel ist das natürlichste von der Welt. Natur ist Wandel und zwar – um es zu wiederholen – Veränderlichkeit, nicht Veränderbarkeit. Und die Natürlichkeit und Unausrottbarkeit der Schwankungen bedeuten, dass der Mensch mit seinen Projekten Sicherheitsabstände einhalten muss und nicht immer an den äußersten Grenzen des gerade noch Möglichen wirtschaften kann, weil das eben morgen jenseits der Grenze ist. Genau dieses Ausschöpfen bis zum Letzen ist aber die Mentalität der Ökonomen und Berechenbarkeitsfanatiker.
Die Vorstellung, der Klimawandel sei anthropogen und lasse sich aufhalten ist Teil der Selbstüberschätzung des sich im Anthropozän wähnenden Menschen und seines Unwillens anzuerkennen, dass er nicht Macher in kosmischen Dimensionen ist, dass er weder in der Liga der Schöpfungsmächte noch in der Liga der Eiszeiten und Sonnenaktivitätsphasen spielt. Selbst beim Wetter oder bei Lawinen sucht der heutige Super-Moralismus sofort den Sündenbock, wenn nicht einen, der es ausgelöst hat, so einen, der es verhindern oder die Folgen hätte minimieren können.
Der Philosoph Heinrich Rombach hat bereits 1994 darauf hingewiesen, dass die Vorstellung von anthropogener Klimaveränderung Teil der Selbstüberschätzung des Menschen ist, die die „ökologische Krise“ ausgelöst hat, und keineswegs ihr Heilmittel. Der heute durchschnittlich ungebildete Zeitgenosse glaubt, der Mensch sei der Klimafaktor Nummer 1, von den eiszeitlichen Schwankungen hat er keine Vorstellung. Das ist für ihn plausibel, weil seine Welt eine ist, in der menschliche Machwerke dominieren und weil alles andere eine Kränkung seiner Wichtigkeitsvorstellung wäre.
Hybris
Das Unternehmen, die Erdtemperatur auf den willkürlich gewählten Wert des Jahres 2000 zu stabilisieren ist schlicht Hybris. Hier schlägt Bewahrung in Zementierung um, Wertkonservativismus in Strukturkonservativismus. Betonieren ist immer der Gegensatz von Fließen-Lassen. Ob das Betonieren dazu dienen soll, dass alles bleibt, wie es ist (Hochwasserschutz), oder dass alles anders läuft (Kraftwerksnutzung), ist sekundär, beides vernichtet den natürlichen Fluss, das Grundbild der Natur, und verlangt immer weitere Eingriffe, um das künstlich Geschaffene, was keine Selbsterhaltungskraft hat, zu stabilisieren.
Das Klimastabilisierungsunternehmen gehört zu den Projekten, deren Zweck die Rechtfertigung des Systems der organisierten Unverantwortlichkeit – euphemistisch Weltgemeinschaft genannt – mit idealistisch klingenden, aber unerfüllbaren Zielen ist, so wie die Schaffung überall gleicher Lebenschancen, auch das von den „Grünen“ am ignorantesten vertreten. Die sogenannte Klimaschutzpolitik ermöglicht das Weitertreiben der Naturzerstörungspolitik. Das denkerische Problem ist wieder das schon genannte: Natur wird als Gegenüber statt als Rahmen missverstanden (kausal statt struktiv).
Die Theorie vom angeblich menschengemachten Klimawandel fragt nicht danach, ob Naturprozesse uns etwas zu sagen haben, sondern sie unterliegt ganz der Vorstellung von einer gefährlichen menschenfeindlichen Natur, die technisch zu kontrollieren ist. Die daraus folgende Praxis ist kein Mitbewegen und Antworten, sondern ein wilder Aktionismus, der überwiegend auch ganz andere (wirtschaftliche) Motive hat. Niemand fragt, ob uns die Natur etwas zu sagen hat – freilich tut sie das nicht so wie ein predigender Pfarrer.
Selbstregulation
Die Schwankungen des Klimas innerhalb der nacheiszeitlichen Bandbreite – aber in einem größeren Zyklus auch mit den Eiszeiten – sind gerade Zeichen der Selbstregulation, sie sind Rhythmus. Stattdessen behandeln wir sie wie ein Aus-dem-Takt-Kommen einer Maschine. Der Vergleich mit dem Fieber ist nicht völlig abwegig, aber nur, wenn das Fieber auch als Selbstregulation begriffen wird.
Es ist sogar plausibel, dass die sogenannte Klimakatastrophe gar keine Katastrophe ist, sondern ein Selbstheilungsversuch von „Gaia“. Damit wird dem homo sapiens die Ruhe entzogen, die er nach der letzten Eiszeit genutzt hat, um sich das dominium terrae (der biblische Herrschaftsanspruch des Menschen) anzumaßen. Nicht das Überleben des Menschen, der auch die Eiszeiten überlebt hat, ist gefährdet, sondern die missbrauchte Sorglosigkeit.
Nur die gemütliche und berechenbare Natur Europas konnte zu dem abendländischen Aufschwung der Technik führen, der mit der Globalisierung auch in Regionen exportiert wurde, in denen die Natur weniger tolerant gegenüber Eingriffen ist. Dem Verlust der politischen Dominanz Europas folgt der Verlust der Dominanz der europäischen Lebensform. Die europäische Technik stellt sich zunehmend als nicht universalisierbar heraus.
Der Klimawandel konfrontiert auch den Menschen der mitteleuropäisch zahmen Region mit stärkeren Schwankungen, damit verdrängt er die modische Ideologie einer kontrollierbaren oder gar nicht als eigenständige Größe vorhandenen Natur. Dazu kommen weitere Segnungen im kleinen: Er drängt den Wintersportwahn zurück, verdrängt die Fichte aus den Ebenen, beschert warme schöne Sommer und regenreiche Winter und Frühjahre.
Der Klimawandel vollzieht sich dabei in einer Zeitdimension, die auf schleichende Gewöhnung, nicht auf Gegenmaßnahmen angelegt ist. Das sollten wir zu verstehen anfangen. Es steht hier Qualität, die nur der Urteilskraft, aber nicht der quantifizierenden Theoriebildung zugänglich ist, gegen Quantität, Nichtmessbares gegen Messbares, Eisvogel und Erholungswert von Landschaften gegen Kilowattstunden „CO2-freien Stroms“. Es geht um den Primat des Nächsten gegenüber dem Fernen, um Subsidiarität und Abstufung der Verantwortung.