Graphen Energy Harvesting

Maxwellscher Dämon feiert fröhliche Urständ

Da taucht er plötzlich wieder auf, obwohl man doch glaubte, ihn endgültig zum Schweigen gebracht zu haben: der Maxwellsche Dämon. Und dieses Mal dürfte er sich kaum mehr trickreich wegdiskutieren lassen, denn er wurde nicht nur experimentell bestätigt, sondern erste kommerzielle Anwendungen stehen bereits in den Starlöchern.

 

Worum geht es? Die Widerlegung des Maxwellschen Dämons besagt, dass es nicht möglich sei, eine Energiequelle zu schaffen, die ausschließlich auf statistischen Schwankungen von Parametern auf molekularer oder atomarer Ebene basiert. Der Grund dafür ist, dass diese Schwankungen zwar zu kurzfristigen Unterschieden in lokalen Energieverteilungen führen, aber gemittelt keine Nettoarbeit verrichten können. Dies stellt sicher, dass der 2. Hauptsatz der Thermodynamik (Entropiesatz) gewahrt bleibt.

Der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman hatte noch in den 1960er Jahren in einer Reihe von Vorträgen argumentiert, dass die Brownsche Bewegung bzw. die thermische Bewegung von Atomen keine nutzbare Arbeit liefern könne. Da Feynman bis heute eine übermächtige Autorität in der Physik ist, trauten sich Forscher erst gar nicht mehr an dieses Thema heran.

 

Das änderte sich erst, als das Supermaterial Graphen 2004 entdeckt wurde. Es handelt sich um eine ein Atomlage dicke Schicht aus Kohlenstoffatomen mit besonderen Schwingungseigenschaften. Freischwingendes Graphen weist eine kräuselnde Struktur auf, wobei jede Kräuselung als Reaktion auf die Umgebungstemperatur auf und ab kippt: eine Form Brownscher Bewegung.

 

Diese thermischen Fluktuationen nutzte ein Team um den Physiker Paul Thibado (Universität Arkansas) aus, indem es das Graphit mit einem Schaltkreis aus nichtlinearen Widerstandsdioden und Speicherkondensatoren in Kontakt brachte und nützliche Arbeit verrichten ließ. Entscheidend war dabei die Erkenntnis, dass größere Speicherkondensatoren mehr gespeicherte Ladung liefern und dass eine kleinere Graphenkapazität sowohl eine höhere anfängliche Laderate als auch eine längere Zeit bis zur Entladung ermöglicht. Diese Eigenschaften sind wichtig, weil sie Zeit lassen, um die Speicherkondensatoren von der Energiegewinnungsschaltung zu trennen, bevor die Nettoladung verloren geht. Der nicht-lineare Diodenstrom gleicht einerseits den herkömmlichen Strom aus (wodurch der Energieerhaltungssatz gültig bleibt), andererseits wirkt er auf einer anderen Zeitskala, sodass eine Netto-Ladung im Speicherkondensator auftritt, die abgegriffen werden kann, bevor sie wieder durch Fluktuationen neutralisiert wird.

 

Paul Thibado: „… Jetzt gibt es auch nichtlineare thermische Energie. Normalerweise stellt man sich vor, dass thermische Energie einen Temperaturgradienten erfordert. Das ist natürlich eine wichtige praktische Energiequelle, aber wir haben eine neue Energiequelle gefunden, die es bisher noch nicht gab. Und für diese neue Energie sind nicht zwei verschiedene Temperaturen erforderlich, denn sie existiert bei einer einzigen Temperatur.

 

Seine derzeitigen Bemühungen bei der Entwicklung dieser Technologie konzentrieren sich auf den Bau eines „Graphene Energy Harvester“ (GEH). Der GEH verwendet eine negativ geladene Graphenschicht, die zwischen zwei Metallelektroden liegt. Durch die Kräuselbewegung des Graphens werden die beiden zu unterschiedlichen Zeiten positiv aufgeladen. Dadurch entsteht ein Wechselstrom. Gegensätzlich verdrahtete Dioden lassen den Strom in beide Richtungen fließen, wodurch getrennte Pfade durch den Stromkreis geschaffen werden. Sie erzeugen einen pulsierenden Gleichstrom, der an einem Lastwiderstand Arbeit verrichtet.

 

Da GEH-Schaltungen nur wenige Nanometer (1 nm = 10-9 m) groß sind, eignen sie sich ideal für die Massenvervielfältigung auf Siliziumchips. Wenn mehrere GEH-Schaltkreise in Arrays auf einem Chip eingebettet sind, kann mehr Leistung erzeugt werden. Außerdem können sie in vielen Umgebungen eingesetzt werden, was sie besonders attraktiv für drahtlose Sensoren an Orten macht, an denen ein Batteriewechsel unpraktisch oder teuer ist, beispielsweise in unterirdischen Rohrsystemen oder in Kabelschächten in Flugzeugen.

 

NTS Innovations, ein auf Nanotechnologie spezialisiertes Unternehmen, besitzt die Exklusivlizenz für die Entwicklung von GEH zu kommerziellen Produkten. Ryan McCoy, Vizepräsident für Vertrieb und Marketing bei NTS Innovations: „In der Elektronikindustrie besteht eine breite Nachfrage nach immer kleineren Formfaktoren und einer geringeren Abhängigkeit von Batterien und kabelgebundener Energie. Wir glauben, dass Graphene Energy Harvesting einen tiefgreifenden Einfluss auf beides haben wird.

 

Und jetzt die Preisfrage: Wenn solche thermischen Schwankungen nutzbar gemacht werden können, müsste das nicht grundsätzlich für Fluktuationen auf Quantenebene gelten? Wurde hier die Tür zur Quantenenergie ein Stück weit aufgestoßen?

(DS)

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