Das Jahr neigt sich mit der Wintersonnenwende und den darauffolgenden Raunächten seinem Ende zu. Der Autor und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl teilt mit uns sein Wissen über die Feste und ursprünglichen Bräuche am Jahresende und beschenkt uns mit seinen Wortbildern. Mit dem keltischen Fest Samain (Allerheiligen) haben wir das achtspeichige Rad des keltischen Jahreskreises vollendet, das mit der raum&zeit Ausgabe 235 begann.
Allerheiligen, Halloween, Samain
In den Neumondnächten der kalten, neblig trüben Novemberzeit endet die helle Jahreshälfte. Die Sonne steht nun im Skorpion. Sie ist schwach und kalt, als wäre sie von dem giftigen Stachel des Spinnentieres gestochen und tödlich vergiftet worden. Zum „Vollmond des Jägers” (hunters moon) feiert der schwarze Gott Samain den Antritt seiner Herrschaft. Er ist ein Schlächter und Jäger. Er erlegt den Sonnenhirsch, raubt dessen Gattin, die Vegetationsgöttin, und verschleppt sie in sein unterirdisches Reich.
Dort herrscht sie nun als Totengöttin, hütet die Seelen Verstorbener, die schlafenden Samen und die im Winterschlaf erstarrten Tiere. Auch der Seelen der Tiere, die zu dieser Zeit geschlachtet, geräuchert und eingepökelt werden, nimmt sie sich an. Den Hellsichtigen erscheint sie als altes Weib, das im dürren, entblätterten Wald neunerlei Holz sammelt (Holz enthält Sonnenkraft und Wärme, die im Feuer freigesetzt werden). Samain ist mit dem Wort „sammeln” verwandt. Nun ziehen sich die Menschen und das Vieh in die Geborgenheit von Haus und Stall zurück. Die Vögel sammeln sich und fliegen nach Süden. Die Vorräte sind nun in der Scheune, im Speicher oder Keller. Alles was noch draußen ist, ist puca, gehört den Geistern.