Visionäre Landwirte, die ihrem Herzen folgen, stehen im Mittelpunkt von Bertram Verhaags Filmen. Im Interview mit raum&zeit nimmt uns der Filmemacher mit auf eine Reise zu mutigen Ökobauern und innovativen Ansätzen innerhalb der biologischen Landwirtschaft. Er zeigt uns auf empathische Art und Weise, was symbiotische Landwirtschaft oder Agroforstwirtschaft besonders macht und warum Bio nicht gleich Bio ist.
raum&zeit: Für mich ist das Besondere an Ihren Filmen, dass der Protagonist durch den Film führt. Die Kuhbäuerin teilt mit uns die schönen Aspekte der Rinderaufzucht und der Regenwurmbauer zeigt uns, wie er seine Regenwürmer füttert. Wie und warum haben Sie sich diesen speziellen Stil angeeignet?
Bertram Verhaag: Als ich hier in München auf der Filmhochschule war, wohnte der Medienwissenschaftler Bernward Wember eine Straße weiter. Er hatte sich damit beschäftigt, wie das Fernsehen (ARD und ZDF) informiert. Von ihm lernte ich einige Grundsätze, die bis heute meine gesamte Filmsprache bestimmen. Er beschrieb die Bild-Ton-Schere. Er erklärte, dass die Bilder und der Ton in einem engen Zusammenhang stehen sollten, ganz anders als wir es täglich in den Fernsehnachrichten erleben, in denen Sprache über aufregende Bilder gelegt wir, sodass weder Text noch Bild vollständig aufgenommen werden kann. In meinen Filmen bekommen die Protagonisten viel Raum. Man soll sehen und hören, wie der Mensch spricht. Nur wenn ich dann zur Erklärung noch einige Bilder dazuschneide, muss der Protagonist nicht mehr im Bild sein, während er weiter spricht. Man hat ihn ja jetzt schon kennengelernt. Es ist wichtig, dass die Menschen als Ganzes rüberkommen und nicht nur als Stichwortgeber. Eine Zuschauerin hat bei einer Filmvorführung von mir gesagt, dass sie meine Fragen spüre, obwohl diese im Film gar nicht gezeigt werden. Mir ist wichtig, meine Haltung mitzutransportieren. Intensiv sind natürlich immer die Bilder, die nah aufgenommen werden. Ich bin der Meinung, dass man im Gesicht wahnsinnig viel lesen kann.
Der Mut, es anders zu machen
r&z: Ich denke auch durch diese Nähe entwickelt der Zuschauer gleich eine Beziehung zum Beispiel zu einem der von Ihnen gezeigten visionären Landwirte. Gibt es einen Landwirt, der Sie besonders beeindruckt hat?
B. V.: Der Bauer Michael Simmel hat den konventionell geführten Hof von seinem Vater übernommen und weiter geführt. Er wollte wissen, was auf dem mit Pestiziden behandelten Boden passiert. Da hat er feststellen müssen, dass alles, was dort so kreucht und fleucht, plötzlich abgestorben war. Das war genau der Moment, in dem er entschied, dass er etwas ändern muss. Er fuhr nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Ab morgen mach wir Bio“. Er stellte seinen Hof wirklich radikal um und auch seine Frau hat dabei mitgeholfen. Er erzählte mir, dass damals, als er seinen Hof umstellte, es der einzige Hof weit und breit war, der biologisch wirtschaftete.