Muss man Medizin an Leichen studieren?

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Gedanken eines Medizinstudenten zu den Lehrmethoden der Schulmedizin

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Erfreulicherweise nimmt die Zahl der Studenten zu, die sich durchaus kritische Gedanken zum Lehrbetrieb an den Universitäten machen. Einer davon ist Matthias Schiefer, für den ähnlich wie für die Biologie-Studentin Vera Albrecht es nicht nachvollziehbar ist, dass die Kunst des Heilens mit der Präparation von Leichenteilen beginnen muss (siehe raum&zeit Nr. 88 „Wie man Leben an toten Tieren studiert oder die Sache mit den intelligenten Genen“). Auch Matthias Schiefer versteht nicht, wie man Erkenntnisse über den lebenden Organismus an Leichen gewinnen will. Deshalb schlägt er vor, andere Methoden zum Studium der Anatomie zu ersinnen, da sonst die Schulmedizin in den Verdacht geraten könnte, mit dem Präparationskurs an Leichen zu Beginn des Studiums künftige Mediziner und Medizinerinnen für ihren künftigen Beruf zu desensibilisieren, also seelisch „abzuhärten“. Rudolf Virchow, der Pathologe des 19. Jahrhunderts, der von der Schulmedizin heute noch als Repräsentant der naturwissenschaftlichen Medizin verehrt wird, schreibt man den Ausspruch zu: „Ich habe den menschlichen Körper seziert und nichts gefunden, was man Seele nennen könnte.“ Dem entgegnet der Medizinstudent am Ausgang des 20. Jahrhunderts etwas poetischer und lebenswirklicher: „Die Schulmedizin beschäftigt sich mit dem abgestorbenen Blatt, aber wo die Kraft, das Wesen des Blattes, das die Form des Blattes aufrecht erhält, bleibt, weiß sie nicht.“ Da raum&zeit sicher ist, dass Matthias Schiefer im Namen vieler Kommilitoninnen und Kommilitonen spricht, veröffentlichen wir nachstehend mit seinem Einverständnis sowohl den Brief, den er uns schrieb, als auch seine Argumente gegen einen Zwangskurs Leichenpräparation.