„Trust the science!“ (Vertraue der Wissenschaft) ist ein oft gehörtes Motto in unserer wissenschaftsgläubigen Zeit. Vielen Menschen ist allerdings spätestens seit der Corona-P(l)andemie klar geworden, dass Vertrauen zwar gut, Kontrolle aber eben besser ist. Unter dem Siegel der Wissenschaftlichkeit wurden kollektive Zwangsmaßnahmen durchgesetzt, die sich im Nachhinein als unwirksam und sogar schädlich erwiesen haben.
Die Wissenschaft ist eben längst nicht mehr das, was sie früher vielleicht einmal war. Wo Wissenschaft drauf steht, muss nicht unbedingt auch Wissenschaft drin sein. Diese Wahrheit macht nicht einmal vor akademischen Fachpublikationen halt, ein Markt, der weltweit sage und schreibe 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr umsetzt.1
Einer der größten seiner Zunft, der US-amerikanische Wiley Verlag, ist nun ins Gerede gekommen. Wie das Wall Street Journal letzte Woche berichtete, hat Wiley inzwischen mehr als 11.300 wissenschaftliche Arbeiten – peer reviewed (von Experten begutachtet) – zurückgezogen und 19 seiner angegliederten Zeitschriften geschlossen. Grund: Ein florierender millionenschwerer Schwarzmarkt mit gefälschter Wissenschaft, korrumpierten Forschungsergebnissen und gefälschten Autorenschaften. Viele dieser verdächtigen Arbeiten gaben vor, seriöse medizinische Studien zu sein, darunter Untersuchungen zur Arzneimittelresistenz bei Neugeborenen mit Lungenentzündung und zum Wert von MRT-Scans bei der Diagnose von Lebererkrankungen im Frühstadium. Zu den betroffenen Fachzeitschriften gehörten Disease Markers, BioMed Research International und Computational Intelligence and Neuroscience.
Der Skandal veranschaulicht eine weitere Front in einer viel umfassenderen Vertrauenskrise: den lukrativen Verkauf von akademischen Abschlüssen an internationale Studenten durch Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen, offenbar eine um sich greifende, weltweite betrügerische Praxis. Daran beteiligt sind Unternehmen, die Aufsätze an Studenten „plagiatsicher“ verkaufen. Je besser die gewünschte Note, desto höher der Preis für diese „Dienstleitung“. Das Wort von einer „Industrialisierung des Betrugs“ macht die Runde. Da die akademische Karriere durch begutachtete Titel bestimmt wird, können Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften die Tür zu Arbeitsmöglichkeiten und Beförderungen öffnen. Die Fälscher-Netzwerke haben sogar Handlanger in die Redaktionsräume bestimmter Zeitschriften eingeschleust und Redakteure bestochen, um sicherzustellen, dass gefakte Arbeiten auch veröffentlicht werden. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung des Blogs Retraction Watch2 hat angeblich mehr als 30 solcher Redakteure und Schmiergelder von bis zu 20.000 US-Dollar aufgedeckt. Der Wissenschaftsverlag Elsevier hat bestätigt, dass seinen Redakteuren jede Woche Geld für die Annahme von Manuskripten angeboten wird. Die britische Non-Profit-Organisation UKRIO3 hatte bereits im Januar 2024 mitgeteilt, dass ein ungenannter Verlag „300 Redakteure wegen manipulativen Verhaltens entlassen musste„. (DS)
1https://joannenova.com.au
2https://retractionwatch.com/
3https://ukrio.org/